Und was war das früheste News-Ereignis in Ihrer Kindheit?
Der amerikanische Bomber, der nach dem Krieg aus dem Greifensee geborgen wurde.
Heute wachsen junge Menschen in Zeiten permanenter Informationsflut auf, mit dem Gefühl, dass dauernd Schlimmes passiert in der Welt. Was macht das mit ihnen?
Man darf nicht vergessen, die letzten 70 Jahre waren in Europa die friedlichsten seit Jahrhunderten, vielleicht sogar überhaupt. Übrigens, auch wenn Trump von Tag zu Tag Negatives twittert, kann er kein Unheil wie etwa Hitler anrichten. Die Kontrolle von Regierung und Parlament ist zu gross. Trump hat keinen Einfluss auf unsere Schicksale.
Doch! Der Einreisestopp beispielsweise betrifft Sie vielleicht nicht, aber das Schicksal von Millionen von Menschen.
Der Stopp wird nicht kommen, weil sich Trump nicht über die Verfassung hinwegsetzen kann. Wir sollten uns weniger mit Trump und Gleichgesinnten befassen, sondern uns vielmehr fragen, weshalb so viele Menschen existenziell verunsichert sind. Warum fühlen sie sich von der Gesellschaft an den Rand gedrängt, sind sozial vereinsamt? Das sind die Faktoren, die soziale Unruhen und Schlimmeres auslösen können. Und solche Missstände können Machtmenschen wie Viktor Orban ausnutzen.
«Kinder wollen starke Eltern, die Sicherheit vermitteln»
Sollen Eltern mit ihren Kindern über eigene Ängste reden?
Nein, das finde ich daneben. Kinder können diese oft diffusen Ängste überhaupt nicht einordnen, spüren aber sehr wohl, dass es den Eltern nicht gut geht. Kinder wollen starke Eltern, die ihnen Sicherheit vermitteln. Aber wenn ein Jugendlicher danach fragt, sollen Eltern darauf eingehen.
Die Ängste der Eltern bleiben deswegen aber doch bestehen. Wie kann man verhindern, dass sie in die Erziehung einfliessen?
Indem man sich bewusst macht, dass man seine eigenen Kinder nicht verängstigen darf.
Soll man mit Kindern die «Tagesschau» gucken?
Ein Sechsjähriger hat eine Welt mit einem Radius von drei Kilometern. Darüber hinaus existiert nichts. In diesen Kilometern kennen sie den Kindergarten und ein paar Menschen. Wie wollen sie Weltereignisse einordnen?
Aber man muss sie doch vorbereiten auf die grosse Welt.
Ein letztes Mal: nicht mit Worten, sondern mit Taten. Vorleben, nicht reden. Antworten, wenn die Kinder fragen. Jugendliche denken und handeln aus ihrer Lebenssituation heraus, und damit haben sie genug zu tun. Sie sind damit vollauf beschäftigt und interessieren sich einen Hut dafür, was Trump mit der Nato anstellt.
Zur Person
Kaum eine Mutter, kaum ein Vater, die die Bücher von Remo H. Largo (73) nicht kennen. «Babyjahre», «Schülerjahre» und «Jugendjahre» sind Klassiker der Erziehungsliteratur und machten den gebürtigen Winterthurer zum Bestsellerautor. Sein neustes Buch, «Das passende Leben», erscheint im Mai.
Largo studierte an der Universität Zürich Medizin und in Kalifornien Entwicklungspädiatrie. 30 Jahre lang leitete er die Abteilung Wachstum und Entwicklung am Kinderspital Zürich. Largo lebt in Uetliburg SG, ist Vater von drei Töchtern und Grossvater von vier Enkeln.