SonntagsBlick: Roger Federer, wie haben Sie die zwei Tage seit dem Halbfinal verbracht?
Roger Federer: Die ersten 24 Stunden habe ich mich entspannt – und mich natürlich auch gefreut, das darf man ja auch. Ich habe einen Moment lang gedacht, das Training sogar auszulassen. Seve (Lüthi) und Ivan (Ljubicic, sein Trainer) fanden aber, es wäre gut, noch ein wenig mit einem Linkshänder zu spielen, um für Rafael Nadal bereit zu sein. Ich muss gestehen: Ich bin ziemlich müde. Das war ich schon in den vergangenen Wochen. Deshalb habe ich auch viel geschlafen, liess mich massieren. Und am Abend habe ich mit meinem Team den Match von Nadal gegen Grigor Dimitrov geschaut. Das war der Start im Kopf, damit fing die Vorbereitung auf den Final an.
Haben Sie dabei ihren Gegner analysiert?
Normalerweise schaue ich Tennis einfach wie ein Fan, weil es mir Spass macht. Doch in einer Situation wie dieser ist man natürlich analytischer. Wir sahen, was bei Rafa gut geklappt und wo Dimitrov eher Vorteile hatte.
Und welche Schlüsse haben Sie gezogen?
Grigor hat hervorragend gespielt. Vor allem mit der Rückhand, aber ich war mir gar nicht bewusst, dass er eine derart gute Vorhand hat. Das mag auch mit dem Spin zusammenhängen, der auf dieser Unterlage besonders gut zum Tragen kommt. Mit der Rückhand allein kann man Rafa nicht schlagen. Es braucht auch den Service, die Vorhand und die richtige Taktik. Grigor hat vieles richtig gemacht. Aber Nadal war vor allem am Anfang sehr aggressiv. Dann hat er eigentlich so gespielt, wie er das in den vergangenen Jahren immer getan hat.
Haben Sie schon Ihre Strategie?
Ich denke, es zahlt sich auf jeden Fall aus, offensiv und aggressiv zu bleiben – aber nicht kopflos. Gelingt ein offensiver Schlag nicht, braucht es danach zwei sehr gute defensive Schläge, um sich wieder aus der Situation zu befreien.
Wie fühlen Sie sich körperlich?
Ich bin zufrieden. Am Freitagmorgen fühlte ich mich müde, tags darauf schon viel besser. Zweimal schlafen macht enorm viel aus. Wir sind es an normalen Turnieren gewöhnt, jeden Tag zu spielen. Einen oder in meinem Fall zwei Tage Pause zu haben, ändert viel.
Und Ihr Bein, das Sie im Halbfinal behindert hat?
Auch da bin ich zufrieden. Die Muskeln sind ein wenig verhärtet. Aber es ist wirklich nichts, was mich beunruhigen muss.
Trainieren Sie oft mit einem Linkshänder?
Nicht viel. Ich gehöre nicht zu den Spielern, die zwei Stunden trainieren, um für den nächsten Gegner bereit zu sein. Die harte Arbeit habe ich schon in den Wochen und Monaten zuvor gemacht. Am Freitag stand ich 45 Minuten auf dem Platz. Momentan hat die Erholung Priorität. Ich möchte nicht müde sein, wenn der Final in einen fünften Satz geht.
Wie gross ist Ihre Anspannung?
Bisher läuft alles normal. Seit ich weiss, wer mein Gegner ist, steigt die Anspannung ein wenig. Das aber hat nichts mit Nadal zu tun, das wäre bei Dimitrow nicht anders gewesen. Mit der mentalen Vorbereitung kommen die Schmetterlinge im Bauch – im positiven Sinn gemeint. Das zeigt einem: Doch, du willst das! Dieses Gefühl wird bis zum Final, der ja erst am Abend beginnt, noch zunehmen. Aber ich freue mich riesig – und gegen Rafa macht es doppelt speziell.
Wer ist die grössere Überraschung: Sie oder Nadal?
Ich weiss nicht, was die Leute von mir erwartet haben. Ich persönlich habe nicht damit gerechnet, hier den Final zu erreichen. Und dann noch gegen Rafa! Mindestens einer aus dem Duo Djokovic/Murray wurde hier sicher erwartet. Aber bei Rafa sehe ich die Situation etwas anders als die meisten Leute. Ich weiss, was er kann erwarte überall, wo er antritt, viel von ihm. Er hat mich nicht ohne Grund so häufig geschlagen und so viele Titel gewonnen. Er hat akzeptiert, dass der Belag und die Bälle schnell sind und kann an der Grundlinie viel besser halten als noch vor zehn Jahren. Ich habe grossen Respekt vor ihm. Aber er wird mich nicht daran hindern, selber gut zu spielen. Ich habe keinen Komplex gegen ihn – dafür schlug ich ihn schon zu oft in grossen Matches.
Nach Ihrem Sieg über Wawrinka sagten Sie, Sie hätten zum ersten Mal in einem Final nichts zu verlieren. Denken Sie zwei Tage später anders?
Stehst du im Final, willst du ihn gewinnen und nicht nur teilnehmen. Aber gleichzeitig will ich diesen Geist bewahren: Ich habe nichts zu verlieren.