Ganz nach englischer Pünktlichkeit öffnet sich heute exakt 15 Uhr Schweizer Zeit die Schiebetüre zum Centre Court von Wimbledon. Auftritt der Gladiatoren. 15'000 Fans halten den Atem an, wenn die Hauptdarsteller Roger Federer (35, ATP 5) und Marin Cilic (28, ATP 6) auf den Platz laufen.
Ein grosser Moment für den Maestro. Schon zum 11. Mal, so oft wie noch kein anderer Spieler, hat er das Privileg einen Wimbledon-Final zu bestreiten.
Auch mit der Erfahrung von über 1300 Matches und 28 Grand-Slam-Finals immer ein spezielles Erlebnis. Kommt da ein Kribbeln auf? «Ja, ich werde nervös. Ich bin happy, dass ich bei grossen Gelegenheiten noch nervös werde», sagt Federer nach dem Halbfinal-Sieg über Tomas Berdych.
Damit sei er sehr zufrieden, denn es bedeute, dass er sich noch dafür interessiere. «Es ist nicht so, dass es emotionslos wäre. Das wäre ein schreckliches Gefühl, um ehrlich zu sein», sagt Roger.
Die angesprochene Nervosität, auch während des Spiels, äussert sich in vielerlei Hinsicht. «Manchmal macht es deine Beine langsamer und dein Puls beginnt zu rasen. Auch im Kopf. Es schwirrt eine Million Ideen herum und du musst die richtige nehmen. Das kann dich ein wenig stressen», erzählt Federer.
Die ganze Anspannung baut sich beim Baselbieter aber schon am Samstag auf. Er ist fokussiert, schafft sich ein wenig Distanz vom Rummel. Etwas mehr als eine halbe Stunde steht er auf dem Trainingsplatz. Gegenüber «SRF» sagt er: «Es steht viel auf dem Spiel, aber am Schluss ist es doch nur ein Tennis-Match. Ich weiss nicht, wie ich mich fühle, wenn ich die Augen schliesse am Abend. Es kann sein, dass ich noch viele Visionen habe, wie die Ballwechsel sich abspielen. Wie wird es sein, wenn ich siege? Wie wird es sein, wenn ich verliere? Das muss aber nicht schlecht sein. So ist man vielleicht weniger nervös, wenn es soweit ist.»
Sein Gegner Marin Cilic hat erst einmal eine solche Situation erlebt. 2014 vor dem US-Open-Final gegen Nishikori, seinem bisher einzigen Major-Endspiel, in dem er auf Anhieb siegte. Im Halbfinal schlug er damals Federer. Von Nervosität will der Kroate im Hinblick auf den heutigen Wimbledon-Showdown nicht reden. «Ich habe bereits ein Grand Slam gewonnen. Es ist eine Herausforderung und ein Final mit dem du umgehen musst, sicher. Du weisst nie, wie deine Gefühle sind, wenn du den Centre Court betrittst», sagt Cilic.
Riesig werden die Emotionen bei Roger Federer sein, wenn er tatsächlich den Matchball verwandelt. Die historische Komponente eines achten Wimbledon-Titels wäre enorm. Bisher muss er sich den Rekord mit Pete Sampras und William Renshaw teilen.
Zudem krönte er sich zum ältesten Wimbledon-Champion der Profi-Ära (seit 1968) – im Alter von 35 Jahren und 342 Tagen. Seit seinem siebten Triumph im All England Lawn Tennis Club sind fünf Jahre vergangen.
Nur Jimmy Connors (1974/1982) hätte zwischen zwei Titeln eine längere Wartezeit. Holt Federer den Triumph sogar ohne Satzverlust, wäre er der zweite Spieler nach Björn Borg (1976), dem dies auf dem heiligen Rasen gelingt.