Können Sie diesen Moment schon einordnen?
Roger Federer: Erst einmal ist er unglaublich speziell. Ich ordne ihn sehr, sehr hoch ein. Das ist was ganz Grosses für mich – wegen der langen Pause seit dem letzten Mal, wegen meiner Verletzung im letzten Jahr, wegen meines Alters. Dafür brauchte es viel Glück und enorm gute, überlegte Planung und harte Arbeit. Es kam nicht über Nacht, sondern durch drei Grand-Slam-Siege und mehrere Masters-1000-Siege, die ich unverletzt überstehen musste. Das alles ist total verrückt!
Können Sie sich überhaupt noch auf den Halbfinal und Final konzentrieren?
Das hoffe ich, wir werden es am Wochenende ja sehen. Ich kam wegen der Nummer 1 hier nach Rotterdam. Schritt 1 ist also gemacht, jetzt gehts zu Schritt 2: das Turnier gewinnen. Vielleicht kann ich ja erst jetzt wieder mein bestes Tennis zeigen.
So richtig feiern werden Sie deshalb noch nicht können, oder?
Die grosse Party verschiebe ich auf nächste Woche, wenn ich wieder mit Mirka, meinen Eltern, den Kindern und Freunden zusammen bin. Aber ich freue mich sehr, diesen Erfolg im kleinen Kreis ein wenig feiern zu können. Ein Glas Champagner hatte ich schon und es gab noch eines mit Ivan Ljubicic, Dani Troxler und Severin Lüthi, der mit seiner Frau Claudia am Freitagmittag extra spontan eingeflogen ist. Ich hatte auch daran gedacht, ihn einzuladen, liess es dann aber sein, weil der Druck noch grösser gewesen wäre und es vielleicht genau dann nicht geklappt hätte. Dass Seve mich dann überrascht hat, war umso schöner!
Ist Rafael Nadal eigentlich gekommen? Der ist ja auch in Holland...Sie dachten doch nicht im Ernst, dass er nichts Besseres zu tun hat, als hierhin zu kommen.
Wie nervös waren Sie im Match gegen Haase?
Es ging eigentlich, längst nicht so nervös wie im Australian-Open-Final. Ich war wieder aggressiver als gegen Kohlschreiber, dachte mir: Diesmal schlage ich mich nicht selber – wenn, dann muss er mich schlagen!
Als Sie nach dem Sieg ihrem Team und der Familie dankten, zeigten Sie aber wieder grosse Emotionen.
Mein Ziel war es, nicht zu weinen! Das gelang mir gerade noch so. Es gibt so viele Menschen, die nie mit der Presse reden, aber ebenfalls einen grossen Anteil an meinem Erfolg haben. Aber meine Eltern habe ich vergessen zu erwähnen – ohne sie wäre gar nichts möglich gewesen! Ja, es war emotional. Die 1 zu erobern, ist immer sehr bedeutungsvoll.
Heute noch bedeutungsvoller als früher?
Es war immer speziell. Wie dieses Mal verpasste ich schon beim ersten Mal 2003 meine erste Chance, schaffte es dann erst ein paar Monate später im Januar 2004, als ich in Australien Juan Carlos Ferrero im Halbfinal schlug. Das letzte Mal – nach dem Wimbledon-Sieg 2012 – war ich in den Ferien, als ich wieder an die Spitze kam, weil sich der Turnierkalender um eine Woche verschoben hatte. Das war auch cool, weil ich richtig feiern und drüber reden konnte. Nun bin ich ein kleines bisschen älter (lacht). Nur schon ein weiterer Grand-Slam-Titel wäre toll gewesen. Dann erhielt ich tatsächlich letzten Sommer in Montreal die Chance, die ich verpasste, als ich mich am Rücken verletzte. Danach glaubte ich tatsächlich nicht mehr daran, jemals noch einmal da oben hin zu kommen. Deshalb ist es jetzt eine riesige Befriedigung.
In Montreal zu spielen, entpuppte sich als zu früh. Hatten Sie keine Angst, in Rotterdam den gleichen Fehler zu begehen?
Nein, ich hatte mehrere Optionen, hätte nur in Dubai oder erst später spielen können. Aber ich spürte eine grosse Lust, es hier zu versuchen. Der Traum wächst dann eben doch immer mehr.
Was können Sie sich nun noch für Ziele setzen?
Ehrlich, im Moment habe ich keine Ahnung! Vielleicht ist es, dieses Jahr auch als 1 zu beenden. Aber das passiert einfach, oder eben auch nicht – darüber darf man gar nicht zu viel nachdenken. Es braucht so viel dazu, und es liegt noch so weit weg. Möglicherweise ist mein nächstes Ziel, die 100 Titel zu gewinnen (er steht bei 96, Anm. der Red.), meine Titel vom letzten Jahr zu verteidigen. Weil ich weniger Turniere spiele, ist jedes einzelne eine Priorität für mich.