Wendy Holdener ist beliebt. Ihre Erfolge begeistern, ihre natürliche Art gefällt. Der Titel als Schweizer Sportlerin des Jahres 2017 ist eindrücklicher Beweis dafür. Das Epizentrum ihrer Popularität befindet sich in ihrer Heimat Unteriberg SZ auf fast 1000 Meter über Meer. Da geniesst Wendy Heldenstatus. Im 2500-Seelen-Dorf begegnet man ihr ständig. Nicht persönlich, dafür ist sie – vor allem im Winter – zu selten daheim. Aber auf Plakaten und Transparenten. «Hopp Wendy» steht da, «Herzliche Gratulation» dort, «Super Wendy» überall. Unteriberg ist stolz auf seinen berühmtesten Einwohner.
Genau das war für die 25-Jährige nicht immer einfach. «Nach der Heimkehr aus Südkorea im Februar mied ich die Leute und ging nicht einmal einkaufen. Weil ich Angst hatte, es könnte mir zu viel werden», erzählt sie. Genau darum verschob sie den Olympia-Empfang nach Gold (Teamwettbewerb), Silber (Slalom) und Bronze (Kombination) im letzten Februar. Erst nach dem allerletzten Weltcuprennen Mitte März wurde gefeiert.
Diese Episode steht symbolisch für den Ehrgeiz Holdeners. Sie feiert zwar gerne, aber zu gegebener Zeit. Da ist es ihr auch egal, dass sie gerade Geschichte geschrieben hat. Die Slalom-Spezialistin fürchtet sich wie kaum eine andere Fahrerin davor, den Faden zu verlieren. Denn das hätte fatale Folgen. Wir erinnern uns: Zwei schlechte Resultate in Killington (USA) zu Beginn der Saison reichten Holdener bereits, um in ein Loch zu fallen. Um zu «verkopfen», wie sie es nennt.
Das soll ihr künftig nicht mehr passieren. «Ich muss positiver, lockerer werden», sagt Holdener. Hilfe erhält sie dabei von Sportpsychologin Karin Leonhardt. Es könnte das Puzzlestück für noch mehr Erfolge sein. Denn: Obwohl Holdener Weltmeisterin und Olympiasiegerin ist, hat sie bislang «nur» drei Weltcupsiege (bei 21 weiteren Podestplätzen) eingefahren. «Einige Leute haben mir schon gesagt: Sag nicht, dass du nicht langsam sein willst. Du musst sagen: Ich will schnell sein!»
Diese Winnermentalität will sich Holdener vermehrt aneignen. Und es spricht viel dafür, dass es gelingt. Sie hatte einen guten Sommer, steigerte nochmals ihre Stabilität in der Hüfte, womit sie im Slalom nun etwas höher steht. «Noch ist aber nicht jeder Schwung perfekt», sagt sie schmunzelnd. Gleichzeitig wagt Holdener vermehrte Starts bei Super-Gs – also in jener Disziplin, bei der sie im März als Dritte von Crans-Montana VS alle überraschte.
Vielleicht geben Holdener die Erfolge an Grossanlässen ja jenes Selbstvertrauen, von dem sie manchmal gerne mehr hätte. «Ich hoffe es, denn ich lerne ja immer dazu», sagt sie. Und ergänzt: «Jetzt freue ich mich erst einmal auf Sölden!»