Vorgestern Mittwoch um 8 Uhr: Für den Nidwaldner Marco Odermatt beginnt an der Talstation der Birds-of Prey-Bahn ein aussergewöhnlicher Ski-Tag. In ein paar Stunden wird sich der Youngstar erstmals auf einer der gefährlichsten Abfahrten der Welt hinunterstürzen.
Die Anspannung ist aber nicht nur beim unerfahrenen «Odi» deutlich zu spüren. Auf dem Sessellift reden hier auch die erfahrenen Piloten weniger als auf dem Weg zu anderen Abfahrts-Starts. Nur Österreichs Lake Louise-Champion Max Franz, der in der Szene als besonders unerschrockener Abfahrer bekannt ist, spricht in aller Deutlichkeit seine Erinnerungen an sein erstes Mal in Beaver Creek aus: «Als ich hier erstmals den brutalen Steilhang besichtigt habe, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich da mit einer ordentlichen Geschwindigkeit heil herunter kommen soll.»
Ein Schwung nach dem anderen
Wird es Odermatt bald ähnlich ergehen? Das Super-Talent aus Buochs ist in der Zwischenzeit im Startbereich angekommen und macht sich sofort auf zur offiziellen Streckenbesichtigung. Und nach dem extrem flachen Startstück, sieht Marco den berüchtigten Steilhang erstmals mit eigenen Augen.
Swiss Ski-Alpinchef Stephane Cattin spricht ihm Mut zu: «Marco, du packst das. Du musst bei der Einfahrt in diese steile Passage einfach den Oberkörper besonders mutig nach vorne beugen, sonst drückt es dich schnell zu weit nach hinten.» Odermatt nickt, fährt weiter und schaut sich die weiteren Schlüsselstellen ganz genau an.
Bei Halbzeit der Besichtigungsfahrt macht er bei Cheftrainer Tom Stauffer halt und frohlockt: «Das ist ja richtig geil hier!» Der Chef pflichtet seinem Schützling bei: «Diese Abfahrt kommt einem starken Techniker wie Dir tatsächlich entgegen – auf dieser Piste folgt ein Schwung dem anderen Schwung!»
«Steilhang habe ich komplett verkackt»
Im Ziel angekommen geht Odermatt die Strecke in Gedanken noch einmal genau durch. Danach gehts wieder hinauf zum Start und kurz nach zwölf Uhr nimmt Marco mit breiter Brust seine erste Trainingsfahrt auf der Raubvogel-Piste in Angriff. Nach 1. Minute, 45 Sekunden und 51 Hundertstel schwingt er im Ziel ab. Damit verliert er auf die Bestzeit 2.86 Sekunden.
War die Jungfernfahrt wirklich so geil, wie sich das Odermatt nach der Besichtigung vorgestellt hat? «Die Fahrt im Steilhang habe ich zwar komplett verkackt, aber ansonsten hat es mir wirklich sehr viel Spass gemacht. Ich fühle mich hier viel wohler als letzte Woche auf der mit vielen Gleitpassagen gespickte Abfahrt in Lake Louise.»
Sie können deshalb darauf wetten, dass Odermatt am Samstag im Super-G seinen 25. Rang von Lake Louise toppen wird. Die Abfahrt am Freitag wird Odermatt nicht fahren.