Bormio, am Mittwoch-Mittag: Patrick Küng zuckt eine gute halbe Stunde nach der Absage des zweiten Trainings zusammen! Warum? Auf dem Weg ins Mannschaftshotel lässt der Abfahrts-Weltmeister von 2015 seinen linken Skischuh unabsichtlich auf den Asphalt fallen. Doch kurz darauf hört man Küng aufatmen – sein Rennschuh hat den Absturz schadlos überstanden.
Der Glarner ist derart erleichtert, dass er einen Kuss auf seinen Schuh drückt. «An diesem Schuh liegt mir besonders viel, schliesslich haben Servicemann Franz Nadig und ich in den letzten Tagen extrem viel Zeit in die Abstimmung zwischen Schuh und Ski investiert», erzählt Küng. Und das erste Training in Bormio macht Hoffnung, dass diese Arbeit bald belohnt werden könnte.
Aber der Reihe nach. Bis zum Speed-Auftakt in Lake Louise stimmten die Swiss Ski-Übungsleiter reine Lobeshymnen auf den Lauberhornsieger von 2014 an. Küng fahre so konstant stark wie schon lange nicht mehr, in den teaminternen Trainings sei er regelmässig Bestzeiten gefahren, gab Männer-Chef Tom Stauffer vor der ersten Abfahrt der Saison zu Protokoll.
Doch in den Rennen war davon rein gar nichts zu sehen. Nach dem 13. Abfahrtsrang in Lake Louise fuhr Küng auf seiner Weltmeister-Strecke in Beaver Creek als 52. (Super-G) und 36. (Abfahrt) komplett hinterher. Nach einem neuerlichen Abschiffer in der Gröden-Abfahrt (Rang 46) wollte sich Patrick vor Weihnachten beim Europacup-Super-G auf der Reiteralm in der FIS-Punkte-Liste verbessern. Aber selbst in der zweiten Liga des Skirennsports ist Küng nicht über den 32. Rang hinaus gekommen.
Wie ist dieser extreme Einbruch zu erklären? War es der Tod des französischen Salomon-Teamkollegen David Poisson, der Küng eingebremst hat? Swiss Ski-Abfahrtschef Andy Evers: «Ich schliesse nicht aus, dass Poissons Tod auch einen Einfluss auf Patricks Resultate hatte. Aber der Hauptgrund liegt wohl in der Abstimmung des Materials.»
Deshalb haben Küng und sein Servicemann Nadig vor der Anreise nach Bormio im Sarntal im Südtirol intensiv Material getestet und neu abgestimmt. «An Päddys Ski und Schuhen gibt es kaum eine Schraube, die wir zuletzt nicht umgedreht haben», offenbart Nadig.
Und das einzige Training auf der Stelvio spricht dafür, dass die beiden den richtigen Dreh herausgefunden haben – als Elfter war Küng der beste Schweizer. Für die Auferstehung von King Küng in der für Donnerstag geplanten Abfahrt in Bormio spricht auch seine Bormio-Geschichte – auf der Stelvio donnerte er 2010 auf den vierten und 2011 auf den zweiten Rang.