Ex-FCL-Coach Markus Babbel teilt aus
«Weiss nicht, woher die Luzerner Arroganz kommt»

Dem FCL-Umfeld wirft er Arroganz vor. Die Schweizer Liga habe ein Qualitätsproblem. Und die Bayern seien Holzköpfe. Markus Babbel (45) on fire!
Publiziert: 06.04.2018 um 13:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:57 Uhr
Ex-Luzern-Coach Markus Babbel teilt gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber aus.
Foto: KEY
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Martin Arn

Herr Babbel zunächst einmal: Wie geht es Ihnen, was machen Sie, wo sind Sie?
Ich bin in Weinheim, in der Nähe von Mannheim. Meine Frau und ich haben dort ein Haus. Das ist unsere Basisstation. So was brauchst du als Trainer. Man weiss ja nie, wie lange man im Amt ist. Wir haben die Familien besucht. Am Samstag geht es ab in den Urlaub. Es ist der erste längere Urlaub seit fast vier Jahren. 

Was verbindet Sie noch mit Luzern?
Ganz viel. Ich hatte eine tolle Zeit – mit die schönste meiner Trainerkarriere. Ein super Trainerteam, fantastische Burschen in der Mannschaft, charakterlich absolut top.

Die letzten Monate verliefen nicht mehr so harmonisch!
Das letzte Jahr, die letzten 15 Monate, das war nicht mehr das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich habe mich schwergetan mit dem neuen Weg des Vereins, mit der Mentalität. Dann waren auch enge, gute Mitarbeiter plötzlich weg.

War der kürzlich entlassene CEO Marcel Kälin das Problem?
Ich will nicht auf einen Einzelnen zielen. Er hat ja nur ausgeführt, was man ihm vorgegeben hat. Es war die ganze Klub-Philosophie, die mir nicht mehr entsprach.

Der geschasste FCL-CEO Marcel Kälin.
Foto: Blick Sport

Erklären Sie das!
Der Umgang miteinander war nicht mehr derselbe. Die Kommunikation. Man hat Vereinbarungen getroffen und sich dann nicht daran gehalten.

Luzern will sparen und trotzdem Titel gewinnen: Wie soll das gehen?
Da klaffen Anspruch und Realität ganz weit auseinander. Ich weiss nicht, woher diese Luzerner Arroganz kommt. Man könnte meinen, die hätten in den letzten zehn Jahren achtmal den Titel und sechsmal das Double gewonnen.

Ist Hauptinvestor Bernhard Alpstaeg Teil des Problems?
Man muss sich bei Investoren, und zwar nicht nur in Luzern, schon fragen: Warum machen die das? Sie sind in ihrem Geschäft extrem erfolgreich, haben Geld ohne Ende und investieren dann, als Hobby sozusagen, in einen Fussballklub und fangen schliesslich auch noch an, überall mitzureden. Tun sie das, weil ihnen der Klub am Herzen liegt? Oder sehen sie den Fussball als Bühne, auf der sie sich profilieren können?

Hauptinvestor beim FC Luzern Bernhard Alpstaeg.
Foto: Blick Sport

Was denken Sie?
Es ist auf jeden Fall nicht förderlich, wenn sich Leute, die kaum Ahnung von Fussball haben, ins Tagesgeschäft einmischen. Seit sich zum Beispiel Dietmar Hopp bei Hoffenheim ein wenig zurücknimmt, läufts sportlich wieder. 

Wie erklären Sie sich die Siegesserie, die Luzern nach Ihrem Abgang hingelegt hat?
Das freut mich riesig für die Jungs. Und es zeigt, dass wir schon vorher ein tolles Team hatten. Gerardo Seoane kenne ich ja, seit ich in Luzern angefangen habe. Ich weiss, wie er arbeitet, wie er den Jungen hilft. Es überrascht mich nicht, dass sie so erfolgreich sind.

Hegen Sie keinen Groll, weil es der Mannschaft so gut läuft, seit Sie weg sind?
So funktioniere ich nicht! Es freut mich aufrichtig für die Jungs. Aber sie müssen natürlich aufpassen. Es gibt in der Schweiz viele Teams, die auf Augenhöhe sind. Da kannst du schnell wieder ein paar Spiele verlieren. Deswegen machen Mentalität und Charakter der Spieler, aber auch des Umfelds so viel aus.

Wie meinen Sie das?
Erfolg gibt es nur gemeinsam. Was zum Beispiel in Sion abläuft, gibt mir Rätsel auf. Mit diesen Möglichkeiten darfst du doch niemals Letzter sein. Oder bei GC und beim FCZ. Ich glaube, der Schweizer Fussball hat ein Qualitätsproblem.

Wieso das?
Weil der Substanzverlust in den letzten Jahren, vor allem bei Basel, aber eben auch bei GC, sehr gross war. Vor dreieinhalb Jahren, als ich in Luzern anfing, war das Niveau definitiv höher.

Sie haben sich im Interview mit dem «Kicker» auch über den Modus beklagt. Warum?
Wenn du gefühlte achtzig mal gegen Basel, Lausanne und YB spielst, dann wird das schon langweilig. Vielleicht bräuchte es wieder Auf-und Abstiegsspiele, ein Playoff. Vielleicht könnte man die Liga aufstocken. Da bekäme man auch eine andere Mentalität rein.

Was soll das heissen?
Einige meiner Spiele waren ganz froh, wenn sie in Vaduz oder in Lausanne vor ein paar Tausend Fans spielen konnten. Da war der Druck nicht so hoch, wie vor 30'000 in Basel. Einige Spieler hatten nur schon Mühe, wenn sie aus Luzern wegmussten.

Zu viel Druck kann auch leistungshemmend sein: Der Deutsche Weltmeister Per Mertesacker ist am Druck zerbrochen.
Das kann ich verstehen. Aber da reden wir dann nochmals von einer anderen Liga. Wenn du wie Per bei einem Grossverein wie Arsenal spielst oder in der Nationalmannschaft, da stehst du richtig unter Druck, gerade als Abwehrspieler, wo du dir keinen Fehler erlauben kannst. Da hinten brennts immer.

Auch Sie selber haben schon über diesen Druck gesprochen und gesagt, Sie seien damals 1999 im Champions-League-Final gegen Manchester United froh gewesen, als das 2:1 für ManUtd fiel.
Ich war erleichtert, dass die Partie zu Ende war. Ich hatte mich vor dem Spiel extrem unter Druck gesetzt. Dieser Titel war immer mein Ziel gewesen. Er stand über allen anderen. Wir hatten eine Super-Truppe. Aber ich war zum Schluss mental völlig kaputt. Als die kurz vor Schluss den Ausgleich erzielten und dann noch das Siegestor, da fiel das alles ab, weil ich wusste, dass es fertig war. Vom Kopf her hätte ich gar nicht mehr gekonnt. Das ärgert mich noch heute: Dass ich diesen Karrierehöhepunkt kein bisschen geniessen konnte.

Wo geht der Weg des Markus Babbel hin?
Foto: Blick Sport

Haben Sie mit anderen Spielern von damals darüber gesprochen, wie es denen erging?
Nein, eigentlich nicht. Aber so ein Ding haut natürlich jeden erst mal um. Das hat man ja auch bei Oli Kahn gesehen. Für mich der beste Torwart, mit dem ich zusammengespielt habe. Mit ihm in Topform hätte Deutschland 2002 sogar Weltmeister werden können. Dann kassiert er dort diesen haltbaren Treffer von Ronaldo. So etwas kann einen schon ausbrennen. Auch Kahn hats danach für einen Moment aus den Latschen gehoben.

Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Ich möchte sicher im Fussball bleiben, weil es mir unheimlich Spass macht, mit Jungen zu arbeiten, sie weiterzubringen. 

Bei GC wird vielleicht bald ein Job frei…
Die Schweiz hat im Moment nicht oberste Priorität, obwohl ich den Schweizer Fussball sehr mag. Er ist noch nicht so verdorben, wie der Englische, oder die Bundesliga, die Serie A, La Liga – und hat dennoch Qualität.

Bayern sucht auch einen Trainer!
Ja, genau! (lacht) Aber die haben mich bisher nicht angerufen, diese Holzköpfe! Ausser für ein Legenden-Spiel, bei dem ich mitmachen darf.

Zieht es Sie zurück nach England?
Das wäre sicher das Tüpfelchen auf dem i. Aber das ist sehr schwierig für einen Ausländer. Die schauen stark darauf, was Einer schon erreicht hat.

Sie waren Meister, Europameister, Uefa-Cup-Sieger…
… ja, aber nicht als Trainer. Da war der Meistertitel in der 2. Bundesliga bisher mein grösster Erfolg.

Warum trugen sie neulich im Deutschen Fernsehen eine FCL-Krawatte?
Meinem ehemaligen Präsidenten Ruedi Stäger zuliebe. Und er hat sie auch gleich erkannt!

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