Am Freitag entscheiden sich die Bosse der Super und der Challenge League bei der Generalversammlung für einen Video-Beweis. Ab der Saison 2019/20 wird der VAR dann in den Schweizer Stadien zum Einsatz kommen.
BLICK: Ist der VAR für die Fifa überhaupt noch wegzudenken?
Massimo Busacca: Nein, vor allem nicht, wenn wir sehen, wie wertvoll und erfolgreich VAR an der WM in Russland war. Ich gehörte zu Beginn des Projektes auch zu den Skeptikern. Doch schon während der Testphase war alle Skepsis weg. VAR ist definitiv eine grosse Hilfe für den Schiedsrichter und macht den Fussball gerechter. Das ist auch das Ziel. Wir haben bei der Fifa sehr viel investiert. Die Fifa-Schiedsrichterabteilung und das Fifa-Fussball-Technologie-Innovations-Departement haben intensiv kooperiert. Das Fifa-Topmanagement hat uns stets vollste Unterstützung gewährleistet. Das Endergebnis macht uns alle stolz. Vor allem, weil sich viele Mitgliedverbände nach der WM bei uns gemeldet haben und die Absicht bekräftigten, VAR in ihren Wettbewerben einführen zu wollen. Darunter auch die Schweiz.
Welche Schlussfolgerungen hat man nach der WM 2018 gezogen?
Wir waren äusserst zufrieden mit den Schiedsrichterleistungen und der Premiere der Video-Schiedsrichterassistenten. Fifa-Präsident Gianni Infantino hat sich ja diesbezüglich auch sehr positiv geäussert. Ein Schlüssel zu diesem Erfolg waren die Schiedsrichter, die gemäss Infantino überragende Leistungen ablieferten. Wir waren auch sehr erfreut ob der positiven Reaktionen zu den VAR seitens der Spieler, Trainer, Fans und Medien. Unser stellvertretender Generalsekretär und Leiter des VAR-Projekts, Zvonimir Boban, hat auch immer die Bedeutung dieser technologischen Revolution betont: VAR soll den Fussball nicht verändern, sondern fairer machen. Wir werden auch nie zulassen, dass man den Fussball verändert. Aufbauend auf den erfolgreichen Schiedsrichter- und VAR-Leistungen bei der WM, wird sich die Fifa weiter für die Verbesserung und Weiterentwicklung der Standards im Schiedsrichterwesen einsetzen und die Mitgliedsverbände und Ligen bei der Einführung von VAR in ihren Wettbewerben unterstützen. Beispielsweise, indem VAR-Instruktoren ausgebildet werden.
Dennoch gab es Fälle, die unbefriedigend waren. Wie konnte zum Beispiel der VAR das klare Foul von Schär und Lichtsteiner am Serben Mitrovic übersehen?
Wir gehen nie auf einzelne Fälle ein. Das Gesamtbild ist für uns wichtig. Wir haben auch immer betont: Das System der Video-Assistenten bedeutet keine totale Perfektion, es kann weiter falsche Einschätzungen geben. Interpretiert wird auch mit dem Einsatz der VARs. Hinter dem Bildschirm sitzt immer noch ein Mensch. VAR gibt dir aber die Möglichkeit, grobe Fehler zu sehen und falls nötig eine Entscheidung zu korrigieren. Der Auftrag ist klar: VAR soll die Anzahl Fehler reduzieren. Insgesamt wurden während den 64 WM-Spielen 455 VAR-Checks gemacht. Am Ende waren 99,35 Prozent aller Schiedsrichter-Entscheidungen mit Hilfe der Technologie richtig. Kleine Randnotiz: 95 Prozent aller Entscheidungen waren richtig, auch ohne die Hilfe des VAR. Dies zeigt auch, wie hoch die Qualität der Schiedsrichter war. Diese vier Prozent machen es aber aus, weil der Fussball so gerechter wird.
Aus der Sicht des ehemaligen Schiedsrichters: Ist der VAR mehr Bevormundung, wie Kritiker das hinstellen, oder Hilfestellung?
Heute ist der Fussball ein enormes Business. Niemand will ein WM-Spiel wegen einer Fehlentscheidung verlieren, geschweige denn wegen einer Fehlentscheidung ausscheiden. Es kann nicht sein, dass in der heutigen Zeit jeder im Stadion oder am Fernseher innerhalb von ein paar Sekunden eine Fehlentscheidung sehen kann, aber die einzige Person, die es nicht weiss, ist der Schiedsrichter selbst. Warum soll der Schiedsrichter diese Hilfe nicht bekommen? Schiedsrichter machen Fehler, aber auch Topspieler machen Fehler und verschiessen in einem wichtigen Spiel zum Beispiel einen Penalty. Der Schiedsrichter ist heute froh um jede Hilfe. Die ehemaligen Referees sollten sich vielleicht mit aktuellen Schiedsrichtern unterhalten und von ihnen persönlich hören, warum sie von der Hilfe der VAR nur profitieren können.
Geht ein Schiri anders in ein Spiel, wenn er um den VAR im Rücken weiss?
Ein grosser Schiedsrichter bereitet sein Spiel genau gleich vor wie in der Vergangenheit. Ein guter Schiedsrichter vergisst während eines Spiels, dass die Technologie da ist. Er muss die Entscheidungen treffen, auch ohne VAR. Die Arbeit des Schiedsrichters auf dem Platz darf sich nicht verändern. Es wird ihm nun eine grosse Hilfe zur Seite gestellt, entscheiden muss der Referee aber immer noch selber. Denn auch dank VAR: die erste und letzte Entscheidung trifft immer der Schiedsrichter.
Schläft ein Schiri dank VAR besser?
Es ist mir persönlich als aktiver Schiedsrichter passiert, nicht zu schlafen, weil ich plötzlich gezweifelt habe, ob die Entscheidung richtig war oder nicht. Heute hast du eine Möglichkeit sofort zu überprüfen, ob du richtig oder falsch gehandelt hast. Es hilft sehr. Man schläft sicher besser.
Gegner ärgern sich darüber, dass es ein paar Minuten dauern kann, bis der VAR entschieden hat. Schneller wird die Prozedur aber kaum werden?
Wenn die Prozedur dazu führt, dass wir am Ende den richtigen Entscheid haben, dann spielt der Zeitaufwand doch keine Rolle. Im Fussball verlieren vor allem die Spieler die meiste Zeit. Wissen sie, wieviel Zeit pro Spiel für Fouls oder Einwürfe verloren gehen? Gegen sieben oder acht Minuten, also bedeutend mehr als VAR-Checks. Die durchschnittliche Dauer eines VAR-Checks an der WM in Russland betrug fast 82 Sekunden. Man rechnet vom Moment an, wo der Referee die Wiederaufnahme des Spiels verzögert bis hin zum Moment, wo er die Entscheidung bestätigt oder korrigiert. Manche Überprüfungen dauern länger, aber wie gesagt, am Ende zählt doch, dass der Schiedsrichter die richtige Entscheidung trifft. Wichtig ist, dass man den Zuschauern im Stadion und auch vor dem Bildschirm zuhause zeigt, dass etwas überprüft wird. Auch da haben wir in Russland an der WM hervorragend gearbeitet.
Ist die Fifa überrascht, wie schnell nun plötzlich auch die Uefa den VAR flächendeckend einsetzen will, nachdem sie sich vor nicht allzu langer Zeit dagegen gesträubt hat?
Wir sind sogar froh darüber … das wird auch die Qualität in unseren Wettbewerben steigern. Das Bedürfnis den Fussball sauberer zu machen ist da. Die zahlreichen Anfragen der Mitgliederverbände nach der WM VAR einzuführen, ist der beste Beweis dafür.
In der Schweiz wird am Freitag darüber entschieden. Welche weiteren Länder wollen den VAR zeitnah auch einführen?
Es sind sehr viele und das ist eine erfreuliche Tatsache. Die genauen Zahlen hat das International Football Association Board (IFAB).
Von den ganz grossen Ligen fehlt ja nur noch die Premier League. Wie schauts da aus?
Die Premier League ist eine sehr wichtige Meisterschaft. Kürzlich würde die Einführung angekündigt. Auch davon
können am Ende alle profitieren, denn es trägt zur VAR-Qualitätssteigung bei.
Der Video Assistant Referee (VAR) kam zuerst im holländischen Cup (ab September 2016) zum Einsatz. Erstmals im Fokus der Weltöffentlichkeit stand er am Confed-Cup im Juni 2017. Die Video-Refs überschauen alle TV-Kameras und sind dazu berechtigt, in vier Situationen einzugreifen: Tor, Elfmeter, Platzverweis (nicht Gelb-Rot) und Spielerverwechslung.
Falls eine Schiri-Entscheidung nach Intervention des VAR untersucht wird, sehen sie auch die Fans im Stadion auf den Grossbildschirmen. Der Ref auf dem Platz muss sich die Szene nicht zwingend noch einmal ansehen, kann das aber in jedem Fall tun. Er wird einen Monitor am Spielfeldrand zur Verfügung haben. Der «Platzschiedsrichter» hat in jedem Fall das letzte Wort.
Massimo Busacca, Chef Schiedsrichterwesen bei der Fifa: «VAR bedeutet keine totale Perfektion, es kann weiter Fehleinschätzungen geben. Hinter dem Bildschirm sitzt immer noch ein Mensch. VAR gibt dir aber die Möglichkeit grobe Fehler zu korrigieren. In den 64 WM-Spielen in Russland wurden 455 VAR-Checks gemacht. Am Ende waren 99,35 % aller Schiedsrichter-Entscheidungen mit Hilfe der Technologie richtig. 95 % aller Entscheidungen waren richtig auch ohne die Hilfe des VAR. Diese vier Prozent machen den Fussball gerechter.»
Der Video Assistant Referee (VAR) kam zuerst im holländischen Cup (ab September 2016) zum Einsatz. Erstmals im Fokus der Weltöffentlichkeit stand er am Confed-Cup im Juni 2017. Die Video-Refs überschauen alle TV-Kameras und sind dazu berechtigt, in vier Situationen einzugreifen: Tor, Elfmeter, Platzverweis (nicht Gelb-Rot) und Spielerverwechslung.
Falls eine Schiri-Entscheidung nach Intervention des VAR untersucht wird, sehen sie auch die Fans im Stadion auf den Grossbildschirmen. Der Ref auf dem Platz muss sich die Szene nicht zwingend noch einmal ansehen, kann das aber in jedem Fall tun. Er wird einen Monitor am Spielfeldrand zur Verfügung haben. Der «Platzschiedsrichter» hat in jedem Fall das letzte Wort.
Massimo Busacca, Chef Schiedsrichterwesen bei der Fifa: «VAR bedeutet keine totale Perfektion, es kann weiter Fehleinschätzungen geben. Hinter dem Bildschirm sitzt immer noch ein Mensch. VAR gibt dir aber die Möglichkeit grobe Fehler zu korrigieren. In den 64 WM-Spielen in Russland wurden 455 VAR-Checks gemacht. Am Ende waren 99,35 % aller Schiedsrichter-Entscheidungen mit Hilfe der Technologie richtig. 95 % aller Entscheidungen waren richtig auch ohne die Hilfe des VAR. Diese vier Prozent machen den Fussball gerechter.»