BLICK: Deutschland im Brennpunkt. Zuerst muss Hockenheim den GP auf 2018 verschieben. Dann haut Weltmeister Rosberg ab.
Sebastian Vettel: Beides ist schade, aber ich kann nichts dagegen tun…
Sie wären als Champion nicht zurückgetreten…
Nico muss sich für seinen Schritt nicht rechtfertigen. Ja, es ist sogar eine mutige Entscheidung. Es wäre leichter gewesen, weiterzufahren. Doch du hast nur ein Leben, also musst du selbst wissen, was du damit machst.
Nochmals: So etwas wäre Ihnen bei allen vier Titeln nicht in den Sinn gekommen…
Ich war bei meinem ersten Titel auch einige Jahre jünger als Nico und einfach heiss, den nächsten zu holen. Da bin ich eben sehr ehrgeizig.
Auch Sie wurden als Rosberg-Nachfolger gehandelt…
Stopp! Kein Thema. Ich habe für 2017 noch einen Vertrag mit Ferrari.
Also beginnen wir nach dieser schwierigen und für Sie wie 2014 bei Red Bull sieglosen Saison mit einer leichten Frage: Wie viele Helme, Overalls und Schuhe brauchen Sie im Jahr?
Ich zähle nicht mit. Da ich die Angewohnheit habe, den Helm nach einem Sieg nicht mehr zu tragen, war der Verschleiss in den letzten drei Jahre nicht mehr so hoch. Sagen wir also zehn. Bei den Overalls ist es komplizierter. Da benutze ich am Wochenende für jeden der fünf Einsätze einen frischen Anzug, die dann wieder gewaschen werden. Ja, so 50 werden es sein. Nach ein paar Rennen werden die Overalls aussortiert, wir haben ja nur ganz leichte Aufkleber drauf, um Gewicht zu sparen! Bei den Schuhen sinds rund 20 Paare.
Was würde der Privatmensch Sebastian Vettel den Rennfahrer Sebastian Vettel nach so einer Saison fragen?
Ich bin ja der gleiche, ich trenne die beiden Personen nicht. Über das Jahr fragt man sich natürlich viele Dinge, beruflich und geschäftlich. Ich will mich einfach als Mensch immer verbessern. Dieses Jahr gabs sicher Dinge, die mir nicht gefallen haben. Aber ich bin froh, dass sie die Fragen stellen müssen… Ich möchte nicht mit ihnen tauschen!
Die Ziele bei Ferrari waren sicher grösser als die Resultate. War die Latte von Ihnen und den Chefs Marchionne und Arrivabene zu hoch gelegt?
Man könnte natürlich antworten ja, aber ich glaube, wir hatten einen sehr guten Aufbau und Testwinter vor der Saison. Wir hatten auch alle ein gutes Gefühl, das sich letztendlich als nicht so gut herausstellte. Uns hat über das Jahr einfach zu viel gefehlt.
Was dann?
Reifen, Abtrieb, Zuverlässigkeit – es wird daran gearbeitet. Wenn man 2015 als WM-Zweiter abschliesst, kann man 2016 mit dem dritten Platz nicht zufrieden sein.
Sie selbst haben zum Abschluss in Abu Dhabi ein gutes und geiles Rennen gezeigt. Wollten sie nach dem «Stillstandversuch» von Leader Hamilton im dramatischen Finale nicht zum Königsmörder von Rosberg werden?
(lacht). Vielleicht war es das falsche Rennen für einen gewagten Angriff. Man weiss ja, wie eng es immer bei einer Überholung werden kann. Aber der Hamilton ist tatsächlich so langsam wie ein Bus gefahren.
Es war ja erst ihr zweiter Podestauftritt seit Monza in den letzten zwölf Rennen…
Ich hätte in Abu Dhabi gerne noch zwei Positionen erobert. Aber ich wollte fürs Team dieses Podium nicht gefährdet. So gehts entspannter in die Winterpause.
Mit welchen Rennen waren Sie zufrieden, mit welchen weniger?
Es war eine turbulente Saison, wo wir auch Punkte selbst verschenkten. Malaysia war meine Schuld, in Bahrain sind wir gar nicht gestartet – und in Österreich kam der Reifenschaden. Ich glaube nicht an Glück oder Pech – doch einige Dinge haben uns sicher nicht geholfen.
Ein Beispiel?
Ich weiss nicht, wie oft wir am Samstag das Getriebe wechseln mussten. Das gibt oft Strafen und schlägt dann auf den Startplatz vom Sonntag. Dieses Handicap aus der Qualifikation wettzumachen, klappt eben nicht immer.
Kurzes Fazit nachdem ja Ferrari als einziges Team 2016 immer punktete…
Wir waren besser als die Resultate. Doch das Gesamtpaket war für grössere Taten noch nicht gut genug. Darüber müssen wir gar nicht streiten. Ich sehe uns allerdings im Vergleich mit Red Bull auf gleicher Höhe.
Waren Sie froh, dass Sie in so unruhigen Zeiten einen stillen Teamkollegen wie Kimi neben sich hatten – da fiel wenigstens eine Baustelle weg…
Ja, unbedingt. Ich glaube es beruht auf Gegenseitigkeit. Wir stehen uns und dem Team nicht im Weg. Ein Idealfall.
Wie bei Verstappen sind die Meinungen der Fans auch bei Ihnen geteilt. Früher hatten Sie nicht so stark polarisiert wie jetzt. Warum?
Ich weiss es nicht, ich habe immer versucht, ich zu bleiben. Und ich habe noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Das gefällt einigen Leuten eben nicht. Ich bin hier, um Rennen zu fahren, das ist das Grösste, was es gibt.
Aber die Sprache ist härter geworden. Sie sagen «Fuck off, Charlie» oder nennen Alonso einen Idioten, der ihnen dann droht ins Auto fahren…
Das ist doch auch menschlich. Wenn man dauernd am Limit ist, bleibt man eben auch nicht immer sachlich und kühl. Das macht doch auch das normale Leben aus. Wenn immer alles still und organisiert wäre, wären viele Dinge auch langweilig. Der Mansell hat Senna doch auch schon einen Idioten genannt.
Kurz: Sind 21 Rennen zu lang? Hamilton sagte schon nach 19 Rennen, dass er sich nur noch aufs Skifahren freut… und Sie?
Nein, ich freue mich eher auf die neue Saison als auf die wegen der neuen Autos doch eher kurze Pause.
Wie optimistisch kann man der Saison 2017 entgegenblicken. Keiner weiss, was Sache ist…
Richtig, das ist für alle ein Risiko aber eben auch eine Chance. Da wird einiges durcheinandergerüttelt und die Abstände werden wieder grösser. Das ist bei Regeländerungen immer so.
Lebt Ferrari also 2017 unter dem Merkel-Motto: Wir schaffen das?
Kann man so sagen. Der Titel ist immer unser Ziel, auch wenn wir das jetzt zwei Jahre nicht erreicht haben. Doch als Team sind wir näher zusammengewachsen. Wir hoffen, dass wir die Früchte ernten können, aber Versprechen kann man keine geben.
Sie sind jetzt 29, haben 178 Rennen, davon 42 gewonnen und standen 87 Mal auf dem Podest. Was kommt da noch?
Hoffentlich mehr. Wie gesagt, das Ziel ist es mit Ferrari Weltmeister zu werden. Alles andere wird dem untergeordnet.
Schumi brauchte fünf Jahre, um Ferrari wieder auf den Thron zu bringen. Und Sie?
Ich sage jetzt nicht in ein oder zwei Jahren – und wenn es nicht klappt, dann höre ich auf. Oder dann schmeisse ich alles hin. So bin ich nicht.
Wir sind in der Adventszeit. Denkt man da mehr an Weihnachten als an Motoren?
Natürlich freut man sich auf die besinnliche Zeit im Kreis der Familie. Das ist immer so.
Also das normale Programm mit Weihnachtsbaum. Schmücken Sie diesen selbst?
Ja, und ich kaufe ihn sogar selbst – das ist Tradition. Und wenn man die Kiste mit dem Stern findet, dann kommt dieser auch oben drauf. Sonst eben ein anderer Spitz.
Bei Privatfragen sind Sie ja sehr heikel. Versuchen wir es mal so: Wann haben Sie zuletzt in der Schweiz in einem Restaurant gegessen?
Oh, das ist schon einige Zeit her. Ich muss mal überlegen (schaut in seine Agenda).
Und was haben Sie bestellt?
Das war mit Freunden am Ufer des Bodensees. Dort ist alles lecker. Und ich esse meist Güggeli oder dann eben Fisch.
Würden Sie auch mit Ihrem grossen Rivalen Max Verstappen zu Abend essen?
Warum nicht. Aber der trinkt vielleicht keinen Wein… (hier irrt Vettel, Vater Jos Verstappen: «Max trinkt Bier, Wein und sogar Wodka»).
Wie siehts mit Ihren Besuchen in Maranello aus?
Na ja, vor jedem Rennen will ich eigentlich in den Simulator. Das wären dann rund 20 Mal.
Fahren Sie dann mit dem Auto von Ellighausen nach Italien?
Meistens. Über den Gotthard oder den San Bernardino. Am Gotthard hats mehr Blitzer, am Bernardino mehr Baustellen.
Ihre Rekordzeit?
(lacht). Die gibts es nicht. Ich brauche meist fünf Stunden.
Na dann wünschen wir im Namen der ganzen BLICK-Gruppe der vierköpfigen Familie in Ellighausen frohe Festtage…
Danke, aber wir sind jetzt fünf. Wir haben noch einen Hund.