Nati-Chef Raffainer zur Ausländer-Frage
«Langfristig wärs für die Nati gefährlich»

SCB-Boss Lüthi & Co wollen die Zahl der Ausländer in der National League erhöhen. Welche Auswirkungen hätte das für die Nati?
Publiziert: 26.10.2018 um 17:30 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2018 um 23:05 Uhr
Schweizer Jubel an der WM in Kopenhagen: Roman Josi (links), Timo Meier, Michael Fora (rechts) und Enzo Corvi (Nummer 71).
Foto: Keystone
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Stephan Roth

Derzeit wird die Diskussion, ob die Ausländer-Zahl von vier auf sechs erhöht werden soll, hart geführt. So hatte Fribourgs CEO Raphael Berger den Befürwortern der Erhöhung entgegengeschleudert: «Das ist Blabla. Alle Argumente zielen darauf ab, die eigenen Probleme zu lösen.» Damit meinte er wohl auch den SC Bern, der Goalie Leonardo Genoni (wechselt zu Zug) auf nächste Saison hin wohl durch einen Ausländer ersetzen muss.

SCB-Boss Marc Lüthi konterte nun in seiner Kolumne: «Nicht cool finde ich, wenn man in einer Diskussion der einen Partei den Mund zuklebt – das Thema mit Ausreden abtut oder es mit ‹blabla› kommentiert.»

Verständnis für wirtschaftliche Überlegungen

Schon viel wurde und wird noch über den finanziellen Aspekt des Vorstosses von Lüthi & Co. debattiert. Doch welche Auswirkungen hätte dieser Eingriff für die Nationalmannschaft, welche zuletzt zum zweiten Mal innert fünf Jahren WM-Silber holte? Was sagt der Nati-Chef dazu? «Für die wirtschaftlichen Überlegungen habe ich vollstes Verständnis. Doch aus sportlichen Gründen hoffe ich, dass es nicht dazu kommt», erklärt Raeto Raffainer.

Dabei gibt es Stimmen, die sagen, dass mehr Ausländer die Nati stärken könnten, weil die Liga kompetitiver würde und die Nationalspieler mehr gefordert wären. «Das könnte sein», räumt Raffainer ein. «Es ist möglich, dass es kurzfristig positiv sein könnte und man an der Heim-WM 2020 davon profitieren würde, falls nicht zu viele Schlüsselspieler verletzt sind», erklärt er. «Doch langfristig könnte es gefährlich sein.» Denn man würde an Breite verlieren. «Speziell auf der Goalie- und Center-Position», glaubt der 37-Jährige. «Mit nur vier Ausländer-Lizenzen wird man bei den Torhütern hoffentlich mutiger und gibt eher einem Jungen eine Chance.»

Spätentwickler könnten auf der Stecke bleiben

Der Ex-Stürmer, der seit Februar 2015 im Amt ist, sagt: «Wenn man jetzt die Anzahl der Ausländer erhöht, ist man in einigen Jahren wieder gleich weit, weil dann wieder Mangel an guten Schweizern herrscht.»

Er erwartet, dass die Anzahl der jungen Spieler in der Liga abnehmen würde und solche, die sich körperlich oder aus Gründen der beruflichen Ausbildung erst spät entwickeln, auf der Strecke bleiben würden. Als Beispiel nennt er Jérôme Bachofner, der in dieser Saison erst im Alter von 22 Jahren beim ZSC den Durchbruch schaffte. «Er hat die Qualitäten für die ersten beiden Sturmreihen. Mit mehr Ausländern wären diese Plätze wohl besetzt gewesen.»

«Viele beneiden uns»

Weil das Eishockey immer schneller und dynamischer wird, setzen sich zum Beispiel auch in der NHL junge Spieler immer früher durch, der Altersschnitt sinkt. «Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir genug junge Spieler produzieren», sagt Raffainer. «Wir müssen in der Juniorenförderung schauen, dass wir den Markt an Schweizer Spielern langfristig vergrössern, nicht regulieren, so dass die Breite noch kleiner wird.»

Auch international habe die Diskussion bei uns für ein grosses Echo gesorgt. «Viele beneiden uns, weil wir eine so gute Lösung mit der Ausländer-Regulierung gefunden haben», sagt der Engadiner. «Und sie können nicht verstehen, dass wir nun über eine Änderung nachdenken.»

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Neu 6 statt 4 Ausländer?

Am 14. November stimmen die 12 NL-Klubs darüber ab, ob ab nächster Saison pro Klub sechs statt vier Ausländer pro Team und Spiel eingesetzt werden dürfen. Damit glauben die Befürworter aus Bern, Genf, Davos und Lausanne, die Lohnkosten im Schweizer Eishockey in den Griff bekommen zu können. «Mit der Schaffung von 24 zusätzlichen Möglichkeiten für Ausländer würde der Markt ein kleines bisschen geöffnet», argumentiert SCB-Boss Marc Lüthi. Unbestritten ist, dass es tendenziell zu wenig gute Schweizer Spieler für 12 Klubs gibt. Doch eine Reduktion auf 10 Klubs ist politisch chancenlos. Für eine Änderung der Ausländeranzahl braucht es 7 von 12 Stimmen.

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