Die grösste Verantwortung für die gute alte Zeit trägt unser schlechtes Gedächtnis. Ein zeitloses Bonmot sei das, steht irgendwo geschrieben. Erinnere mich genau: In der guten alten Zeit hätten Waschmittel fressende Idioten («Tide Pod Challenge») eine tatsächlich stattfindende Backpfeife erhalten, keine virtuelle Zustimmung aus sozialen Netzwerken.
Ein sportliches Beispiel ohne Erinnerungslücke. Durfte man als Nachwuchsmann mit der ersten Mannschaft trainieren, musste eine Regel befolgt werden: Maul halten. Wer aufmuckte, wurde am Gitterhelm gepackt und wie bockiges Viehzeugs am Nasenring durch die Manege gezogen. Beim EHC Chur wurde dieser Code eine Zeit lang auch ohne Handauflegen berücksichtigt, auf jeden Fall solange Jürg Ettisberger Chef im Haus war. Trieb es der Nachwuchs zu bunt, genügte ein mahnender Blick des vollbärtigen Silberrückens – und der Sauerstoff in der Kabine war aufgebraucht.
In der guten alten Zeit kam nicht mal der verrückteste Nachwuchssportler auf die Idee, im Waschmittelkonsum eine Herausforderung zu entdecken. Man wusste instinktiv (oder von der Oma), dass der Verzehr zu Verätzungen, Ödemen, komatösen Zuständen oder einem quälend langsamen Tod führen kann.
Na klar – als Ersatzbeschäftigung experimentierte der Profinachwuchs damals ausgiebig mit allerhand Betäubungsmitteln. War das etwa besser? Als Waschmittel trinken auf jeden Fall.
Heute schreibt der Nachwuchsprofi Gedichte, trinkt Gurkensmoothies und befolgt in der Garderobe eine basisdemokratische Ordnung wie in der Hüpfburg im frisch gemähten Nachbarsgarten.
Beunruhigend ist das nicht – aber das ist die Generation, die über Geschichten aus der guten alten Zeit nur den Kopf schüttelt. Und sich von Waschmitteln rausfordern lässt.
* Dino Kessler (51) kennt Eishockey. 81 Länderspiele, 777 NL-Partien und 1092 Strafminuten.