Tipps und Kicks gegen Vergewaltiger
Frauen schlagen zurück!

Selbstverteidigung steht bei jungen Frauen hoch im Kurs. Trainiert wird vor allem die Frauen aus der passiven Haltung herauszuholen.
Publiziert: 31.08.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 11:28 Uhr
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«Heute ist meine Aufmerksamkeit geschärft.» Karin Manganiello, Trainerin
Foto: Toini Lindroos
Von Lea Gnos (Text) und Toini Lindroos (Fotos)

Karin Manganiello (42) aus Bülach ZH wehrt mit drei gezielten Schlägen ihren Angreifer ab. Mit einem dumpfen Ton fällt er zu Boden. Die Schulleiterin der Kampfkunstschule Skema in Winterthur ZH übt mit ­ihrer Klasse, wie man sich aus einem Würgegriff befreit.

Selbstverteidigung steht hoch im Kurs, seit in Emmen LU eine junge Frau vom Velo gerissen und brutal vergewaltigt wurde. Ihre Verletzungen waren so schwer, dass sie seither Tetraplegikerin ist.

«Zum Glück wurde ich noch nie angegriffen», sagt Elisa Chau (35), die hier zweimal pro Woche trainiert. «Ich weiss nicht, wie ich bei einem Angriff tatsächlich reagieren würde. Der Kurs vermittelt mir aber Selbstbewusstsein. Es tut gut zu wissen, dass ich für den Ernstfall trainiert habe.»

Die zierliche Kursleiterin Manganiello rät zum raschen Gegenangriff: «Wenn man sich zurückhält, hat man schon verloren.» Mit sicheren und bestimmten Bewegungen zeichnet sie mit der Hand einen imaginären Kreis um ihren Körper: «Mein Quadratmeter gehört mir. Wenn dem ein Mann zu nahe kommt, ­werde ich gleich wachsam.»

Die Angst der Frauen sei ­oft sogar im Training spürbar, sagt Manganiello. «Wenn wir einen Angriff simulieren, ist es fast wie in einer Ernstsitua­tion. Sie haben zittrige Knie und sind oft wie gelähmt.»

Es gehe deshalb darum, die Frauen aus der passiven Haltung herauszuholen. «Wir üben, den Verteidigungsreflex zu schärfen. Wir arbeiten daran, bis es den Teilnehmerinnen in Fleisch und Blut übergegangen ist.» Sie dreht sich um und ruft einer Anfängerin zu: «Deine Hände und dein ganzer Körper müssen sofort nach vorne!»

Vor über 20 Jahren kam Karin Manganiello durch ihren Mann zur Selbstverteidigung. Sie sagt: «Früher war ich ängstlich. Die Angst kann man jedoch nutzen, sie setzt unglaubliche Energien frei.»

Eine Frau kann sich tatsächlich gegen einen Mann wehren, auch wenn der ihr in der Regel körperlich weit überlegen ist. «Sofort angreifen», befiehlt die Trainerin einer Schülerin, «lass es nicht so weit ­kommen, dass du auf dem Boden liegt, sonst hast du schon verloren!»

In der Schule trainieren Frauen und Männer gemeinsam nach den Kampfkunstdisziplinen Wing Chun sowie Escrima mit Stock- und Messer-Kampf. Das ­erfordert ein regel­mässiges Training. Andere Selbstverteidigungskurse bringen Frauen Instant-­Methoden bei, die in kurzer Zeit zum Ziel führen sollen: Etwa bei einem Angriff laut «Nein!» und «Stopp!» zu schreien oder gezielt zwischen die Beine zu treten. Manganiello meint dazu: «Es gibt verschiedene Stile. Wir machen keine Crash-Kurse, sondern eine ganzheitliche Ausbildung.»

Das langjährige Training zeigt bei ihr schon ­einen willkommenen Nebeneffekt: «Meine Aufmerksamkeit ist geschärft. Wenn ich heute eine dunkle Strasse entlanggehen muss, so versuche ich, mich ganz ­bewusst zu konzen­trieren.»

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