Im Zürcher Fussball dreht sich die Gewaltspirale. Jüngster Höhepunkt: Ende November stürmen 20 bis 30 vermummte FCZ-Anhänger eine Turnhalle in Zürich-Leimbach, prügeln auf die anwesenden GC-Fans ein. Zehn Personen landen im Spital.
Die Probleme löst man gerne innerhalb der Fussball-Familie. Nach der Attacke in Leimbach verteilt die Zürcher Südkurve etwa ein Flugblatt mit der Anweisung, nichts aus der Kurve nach aussen zu tragen – und schon gar nicht mit Journalisten zu sprechen.
Im BLICK durchbrechen nun mehrere Stadionmitarbeiter die Mauer des Schweigens. Aus Angst um die Arbeitsstelle wollen sie anonym bleiben. Für die Informanten ist klar: «Es ist die Südkurve, die hier im Stadion komplett das Sagen hat. Es ist ein rechtsfreier Raum. Eingangskontrollen sind in letzter Zeit fast unmöglich. Wir fühlen uns bedroht.»
Kopfnüsse und gebrochene Nasen
Vor allem die Stewards müssen immer wieder den Kopf hinhalten. Die Männer und Frauen mit Leuchtweste übernehmen im Eingangsbereich Aufgaben, die früher von der Security übernommen wurden. Das Ziel dieses sogenannten Good-Hosting-Konzepts: Die Fans sollen nicht schon am Eingang von Securitys in Kampfmontur empfangen werden, damit will man eine Deeskalation erreichen.
Die Kehrseite: Einige Stewards fühlen sich den Krawallmachern wehrlos ausgeliefert – und vom Klub hängengelassen.
Bei einem Spiel gegen Servette verpasst ein berüchtigter Südkurve-Fotograf im Mai dieses Jahres einem Steward zwei Kopfnüsse – wegen einer einfachen Taschenkontrolle. Ein Kollege, der zu Hilfe eilt, kommt mit einer Ohrfeige noch glimpflich davon.
Aus den Reihen der Stadionbelegschaft heisst es: «Der Prügler, ein bekannter Südkurve-Fotograf, ist – obwohl er beim Angriff sogar gefilmt wurde – noch immer an jedem Spiel dabei. Keine Anzeige, noch nicht mal Stadionverbot. Was ist das für ein Signal an uns Frontarbeiter?»
Vermummte passten Steward zu Hause ab
In einem anderen Fall seien mehrere Krawallbrüder sogar an der Privatadresse eines Stewards aufgetaucht und hätten diesen aufs Übelste bedroht.
Die Stewards und Stadionmitarbeiter sprechen von tätlichen Angriffen auf mindestens vier Stewards seit dem Abstieg des Klubs im Sommer 2016. «Nach dem Abstiegsspiel wurde einem Steward so stark ins Gesicht geschlagen, dass sein Nasenbein brach», erzählt einer von ihnen. Auch ein anderer Steward habe «eis an Grind» bekommen. Passiert sei nichts.
Das Resultat sei ein Klima der Angst. «Niemand traut sich, etwas gegen die Südkurve zu unternehmen. Auch weil der Klub nicht hinter einem steht», so einer der Stewards. «Vor einigen Wochen drohte ein Mitglied der Südkurve einem Steward. Falls es eine Taschenkontrolle gebe, käme der Steward nicht mehr heil nach Hause.» Also wurde auf eine Kontrolle verzichtet – um Schlimmeres zu verhindern. Und weiter: «Einige Kollegen kommen sogar mit einer Stichschutzweste zur Arbeit!»
Zum Problem trägt auch bei, dass die Fluktuation in den Reihen der Stewards, die von der externen Firma Stewards.ch gestellt werden, sehr hoch ist: «Das ist ein klassischer Studentenjob. Allerdings an einem Ort, wo es extrem viel Fingerspitzengefühl braucht und wo man extrem exponiert ist.»
FCZ dementiert Vorwürfe
Beim FCZ reagiert man überrascht auf die Vorwürfe. «Grundsätzlich kann man sagen, dass es weniger problematische Situationen beim Einlass gibt, seit die Stewards im Eingangsbereich stehen», so der Sicherheitsverantwortliche Kaspar Meng.
Auch stimme es nicht, dass die Gewalt gegen Stewards nicht geahndet werde: «Beim Vorfall mit der gebrochenen Nase wurde Anzeige erstattet. Nach der Kopfnuss gab es Massnahmen gemäss dem Stadionverbotsreglement.» Dies sei auch entsprechend kommuniziert worden. «Zudem ist es nicht die Aufgabe der Stewards, körperlich einzugreifen – dafür ist noch immer die Security zuständig, die immer im Hintergrund ist.»
Die Firma Stewards.ch bestätigt die Vorfälle, gibt sich ansonsten aber bedeckt. «Manchmal kommt es vor, dass Mitarbeiter nicht geeignet sind für den Einsatz an einem Fussballspiel», heisst es. Wie die Ausbildung konkret aussieht, will man nicht im Detail erklären.