Dreimal so viel wie im Jahr 2013 bei Carlos kostet das Sondersetting eines Zwölfjährigen im Kanton Zürich die Behörden. 85'000 Franken pro Monat müssen sie für die Betreuung des Buben aufwenden (BLICK berichtete). Verschiedenste Stationen hat das Kind wegen «unkontrollierter, impulsiver und bedrohlicher Ausbrüche» bereits durchlaufen.
Jetzt ist der Junge in der Universitären Psychiatrischen Klinik Basel stationiert. Wie es weitergeht, ist unklar. Die Therapeutin und Expertin für Nacherziehung Sefika Garibovic berät die Mutter des Buben – und fordert eine alternative, viel kostengünstigere Behandlung für den Zwölfjährigen. Zusammen wollen die beiden den Fall von der Kesb übernehmen. Bisher ist die Behörde aber noch nicht auf dieses Angebot eingegangen.
Jugendpsychologe Allan Guggenbühl (64) analysiert den Fall im BLICK.
BLICK: Herr Guggenbühl, wie beurteilen Sie den Fall des Zwölfjährigen aus Wettswil ZH?
Allan Guggenbühl: Ich muss zunächst betonen, dass es sich hier um einen absoluten Sonderfall handelt. Ich kenne die Hintergründe nicht, aber ich gehe davon aus, dass dieses Kind schwer traumatisiert worden ist. Daher kommt wohl seine schwierige Veranlagung.
Was halten Sie von seinem Sondersetting?
Es gibt ja nicht ein spezifisches, auf Kinder zugeschnittenes Sondersetting. Deshalb stösst dieses Beispiel die Behörden derart vor den Kopf. Unser System ist nicht so aufgebaut, dass es einem Kind, das so unerreichbar ist, helfen kann. Das ist ein ultimativer Super-Gau! Verschiedenste Therapieformen, um nicht gar zu sagen alle Möglichkeiten, scheinen nicht zu funktionieren.
Hatten Sie bereits mit derart schwierigen Problemfällen zu tun?
Klar, ich betreue viele Kinder, die schwierig sind. Allerdings sind diese auf freiwilliger Basis bei mir. Einmal war ein Kind bei mir in Behandlung, das damit gedroht hat, im Behandlungszimmer alles kurz und klein zu schlagen. Ein anderes Kind haute durch das Toilettenfenster ab, als es angeblich aufs WC musste. Da sind mir die Hände gebunden. Ich kann sie ja nicht zur Behandlung zwingen, da bin ich machtlos.
Welche Schwierigkeiten gibt es bei solchen Sondersettings?
Sie sind übertrieben teuer, vor allem der Einsatz von Sicherheitsdiensten. Ausserdem weiss man nicht, ob die Behandlung schliesslich Erfolg zeigt. Das macht es doppelt schwierig. Man wendet so viel auf, ohne eine wirkliche Aussicht auf Erfolg.
Laut Kesb ist der Zwölfjährige in der Schule jeden Tag abgehauen und hat «unkontrollierbare, impulsive und bedrohliche Ausbrüche an den Tag gelegt». Wie kann es so weit kommen?
Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass der Bub traumatisiert wurde. Der Junge hat anscheinend selber schon viel Gewalt erlebt.
Wie gefährlich kann ein Kind in diesem Alter überhaupt sein?
In erster Linie geht es hier um seine Selbstgefährdung. Ein Kind kann sich verletzen oder gar umbringen. Erst in zweiter Linie geht es um die Fremdgefährdung. Im Alter von zwölf Jahren hat er auch noch gar nicht die körperliche Konstitution, um für andere zu einer unmittelbaren Bedrohung zu werden.
Inwiefern beeinflusst das Umfeld im Sondersetting die zukünftige Entwicklung?
Ich kenne die konkreten Massnahmen nicht. Es kann sein, dass durch ältere Kinder oder Erwachsene stärkere Aggressionen provoziert werden. Aber auch das Gegenteil ist möglich. Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass je sozial tiefstehender das Herkunftsmilieu des Kindes, desto höher die negative Beeinflussung durch andere Kriminelle. Im Ausland, zum Beispiel in Honduras, ist es oft so, dass die Kinder ins Gefängnis kommen. Sie lassen sich im Gefängnis sozialisieren, geraten komplett auf die schiefe Bahn und werden schliesslich von der gewalttätigen Szene geschluckt.
Die Kosten des Sondersettings für den damals minderjährigen Intensivtäter «Carlos» sorgten im Jahr 2013 für einen Skandal. Fast 30'000 Franken pro Monat kosteten Unterkunft, Boxtraining und Betreuung. Auf Druck der Öffentlichkeit gab der damalige Regierungsrat Martin Graf (Grüne) auch bekannt: Alleine das Boxtraining des Gewalttäters kostete pro Monat über 5000 Franken.
Wegen des öffentlichen Aufschreis wurden die Betreuungskosten schliesslich auf 19'000 Franken pro Monat reduziert. «Carlos» wurde jedoch zwischenzeitlich wieder inhaftiert – was die Kosten abermals in die Höhe trieb. Im März 2017 wurde «Carlos» wegen einer schweren Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt.
Die Kosten des Sondersettings für den damals minderjährigen Intensivtäter «Carlos» sorgten im Jahr 2013 für einen Skandal. Fast 30'000 Franken pro Monat kosteten Unterkunft, Boxtraining und Betreuung. Auf Druck der Öffentlichkeit gab der damalige Regierungsrat Martin Graf (Grüne) auch bekannt: Alleine das Boxtraining des Gewalttäters kostete pro Monat über 5000 Franken.
Wegen des öffentlichen Aufschreis wurden die Betreuungskosten schliesslich auf 19'000 Franken pro Monat reduziert. «Carlos» wurde jedoch zwischenzeitlich wieder inhaftiert – was die Kosten abermals in die Höhe trieb. Im März 2017 wurde «Carlos» wegen einer schweren Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt.