Umstrittener Werbe-Clip verschwindet aus den Kinos
Kantonspolizei Zürich zieht Suizid-Versuchs-Video zurück

Mit einem fragwürdigen Werbespot will die Kantonspolizei Zürich junge Menschen für die Polizeiarbeit begeistern. Im Fokus steht der Freitod eines jungen Mannes. Psychiater und Seelsorger kritisieren den Spot. Nun zieht die Kapo das Video zurück.
Publiziert: 03.05.2017 um 17:48 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:07 Uhr
Kantonspolizei Zürich wirbt mit Suizid-Versuchs-Video
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Mann wollte sich mit Schuhbändel erhängen:Kantonspolizei Zürich wirbt mit Suizid-Versuchs-Video

Szenen eines Werbevideos: Ein junger Mann hat sich mit einem Schuhbändel an einem Geländer erhängt. Sofort rennt eine Polizistin zu dem Mann, bindet ihn los und beginnt den leblosen Körper zu beatmen. Nach fünf langen Minuten hat sie den Mann ins Leben zurückgeholt.

Hier hat ein junger Mann versucht, sich das Leben zu nehmen. Mit einem Schnürsenkel um den Hals hat er sich an das Gitter gebunden. Die Polizistin kann ihn nach fünf Minuten wiederbeleben.
Foto: Screenshots/Kapo Zürich

Was nach einem fiktiven Filmdrehbuch klingt, ist eine wahre Geschichte, die Angela Zanietta von der Kantonspolizei Zürich erzählt. Sie hat einem jungen Mann mit Suizdabsichten einst das Leben gerettet. Mit der Beamtin wirbt jetzt die Kantonspolizei für Nachwuchs. Am Ende des Kurzfilms kommt der Aufruf: «Haben Sie das Zeug, sie eines Tages zu ersetzen?»

«Das ist ein No-Go»

Seit gut einem Jahr ist dieser Spot auf Youtube zu sehen. Nun läuft das Werbe-Video auch in einigen Zürcher Kinos. Dafür hagelt es Kritik von der Organisation «Dargebotene Hand», einer Anlaufstelle für Verzweifelte und Suizidgefährdete.

Anne Guddal von der Seelsorge-Organisation «Die Dargebotene Hand» kritisiert das Video der Kapo Zürich scharf.
Foto: Screenshot TeleZüri

Anne Guddal, Mitglied der Geschäftsleitung ist empört. «Das ist ein No-Go», sagt sie zu Tele Züri im gestrigen Beitrag. «Der Spot ist sicher gut gemeint von der Polizei. Aber man sollte nicht zeigen, auf welche Art und wo jemand versucht, sich das Leben zu nehmen.» Guddal verweist danach auf den «Werther-Effekt», demzufolge die Berichterstattung über Freitod-Fälle zu Nachahmungstaten führen kann.

Mehr auf Prävention setzen

Auch Alain di Gallo, Klinikdirektor und Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik Basel, sieht den Werbefilm kritisch. «Der Spot versucht ja eine positive Botschaft zu vermitteln, jemand wurde gerettet», sagt der Psychiater zu BLICK. Dennoch hält er das Video für bedenklich. «Es wird detailliert über den Suizidversuch berichtet, über die Art und auch den genauen Ort. Das sollte man nicht so stehen lassen.» 

Psychiater Alain di Gallo hätte sich Hinweise zur Prävention gewünscht. Ein Suizid ist immer der letzte Ausweg. Da müssten Alternativen aufgezeigt werden, gerade, wenn es um Jugendliche gehe.
Foto: UKBB

Besonders, weil in dem Video nicht näher auf den Suizid eingegangen werde. «Das Thema Suizid sollte man nicht verschweigen, doch muss man auf Hilfemöglichkeiten hinweisen. Es gibt nämlich immer eine Alternative zum Suizid.» Und genau das fehlt in dem Spot der Kapo Zürich. Auf die Details des Suizids hätte man verzichten und stattdessen auf Prävention setzen sollen, findet di Gallo. Da müssten Alternativen aufgezeigt werden, gerade, wenn es um Jugendliche geht.

Kapo zieht Video zurück

Die Kritik an dem Video hat bei der Kapo gefruchtet. «Wir haben heute nochmals mit unserem Psychologen Rücksprache gehalten und haben beschlossen den Kurzfilm vorzeitig aus der Kinowerbung abzuziehen», bestätigt Mediensprecher Werner Schaub. Wann genau das Video nicht mehr im Kino erscheint, ist derzeit noch unklar. (jmh/nbb)

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Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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