Robert S. handelte skrupellos. Als er die Edelprostituierte (25) mit dem Künstlernamen Kathleen am 15. September im Nobelhotel Dolder Grand in Zürich niederschlug, misshandelte und am Ende erwürgte, machte er das aus purem Egoismus.
Das wirft ihm die Staatsanwaltschaft in der heute Montag veröffentlichten Anklageschrift vor.
Mit dem Mord, so die Fantasie von Robert S., bliebe ihm der Liebeskummer erspart.
Spätestens als der ehemalige Überflieger in der Finanzbranche die tote «Kathleen» in einen Rollkoffer zwängte und sie bei sich zu Hause in einem Wein-Klimaschrank lagerte, war der frühere Leiter der Aargauischen Pensionskasse ganz am Boden aufgeschlagen.
«Wer alles auf eine Karte setzt, läuft Gefahr, zu vereinsamen»
Robert S. pflegte nur wenige soziale Kontakte und hatte sein Leben stark auf seine berufliche Tätigkeit ausgerichtet, geht aus der Anklageschrift hervor.
Das ging so lange gut, bis Robert S. Ende 2011 seinen Job als Leiter einer der grössten Schweizer Pensionskassen aufgab. 2012 musste er nämlich bestürzt feststellen, dass er trotz steiler Laufbahn als Banker nicht so einfach einen neuen Job fand.
Josef Sachs, Facharzt für forensische Psychologie, sieht darin den Ursprung für S. verheerende Jahre zwischen 2011 und 2014, die im fürchterlichen Mord an «Kathleen» gipfelten.
BLICK: Robert S. war ein typischer Karrierist, der alles seinem Beruf unterordnete. Was geschieht mit so einem Menschen, wenn er plötzlich ohne Job dasteht?
Josef Sachs: Es ist eine sehr schwierige Situation für solch einen Menschen. Wer alles auf eine Karte setzt, läuft Gefahr zu vereinsamen und den Lebensinhalt zu verlieren. Eine Neuorientierung ohne professionelle Hilfe ist dann schwierig.
Robert S. hat in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit begonnen, sehr häufig ins Bordell zu gehen. Eine Art Kompensation, weil er wenigstens dort noch Kontakt zu Menschen haben konnte?
Dieser Schritt ist für mich noch nachvollziehbar – wenn auch keine gute Lösung. Robert S. hatte aufgrund seiner Arbeitslosigkeit viel leere Zeit, war einsam und wahrscheinlich auch enttäuscht, da haben ihm Bordellbesuche vielleicht Geborgenheit vermittelt. Er scheint aber nicht verstanden zu haben, dass im Bordell Sexualität, keine Beziehung angeboten wird.
Eine bittere Erkenntnis, die Robert S. allerdings bereits 2012 machen musste. Zu dieser Zeit war er noch auf eine andere Prostituierte fixiert.
Er träumte damals von einer ernsten Beziehung mit der Edeldirne Alexa, die er über Monate regelmässig besuchte und in die er sich unsterblich verliebt hatte. Doch Alexa wollte nichts von einer Beziehung wissen.
Eine Rückweisung, die Robert S. traumatisiert haben muss.
Nach mir die Sintflut
«Kathleen» half ihm, über den Liebeskummer hinwegzukommen. Auch sie war eine Edelprostituierte, die Robert S. ab Ende 2013 häufig besuchte.
Während Robert S., blind vor Liebe, bei jeder Gelegenheit ins Bordell ging, bekam er langsam Probleme mit seiner Zahlungsfähigkeit. Im Mai 2014 verkaufte der gefallene Banker darum Möbel, Uhren und teuren Wein, um seine Besuche bei «Kathleen» weiter finanzieren zu können.
Irgendwann scheint ihm bewusst geworden zu sein: Lange wird er das nicht mehr stemmen können. Da fasste Robert S. den irren Entscheid: «Kathleen» muss sterben!
«Seine Situation schien ihm dermassen aussichtslos, dass er meinte, der drohenden Kränkung nicht anders als durch Tötung des Opfers begegnen zu können», steht in der Anklageschrift.
BLICK: Robert S. brachte «Kathleen» um, weil er nicht nochmals zurückgewiesen werden wollte. Wie kommt ein Mensch auf so eine Idee?
Josef Sachs: Diese Tat ist schwierig nachzuvollziehen. Einerseits könnte er aus Eifersucht gehandelt haben, sich also gedacht haben, dass, wenn das Opfer mit ihm nicht zusammensein wolle, niemand mit ihm zusammensein dürfe. Oder dass er sich nach verlorenem Job und verjubeltem Geld einfach gedacht hatte: Nach mir die Sintflut.
Seit 2014 sitzt Robert S. nun in Untersuchungshaft. Aus materieller Sicht hatte der ehemalige Banker alles: Viel Geld und ein moderates Vermögen, wie der Staatsanwalt schreibt. Aber das reichte nicht zum Leben.
Es war die fehlende Liebe, die den Banker am Ende wohl zum Mörder machte.