Hinter Gittern wird klar: Auch scheinbar nette Kerle geraten auf die schiefe Bahn. Sträfling Flavio G.* (38) ist gelernter Metzger. Vor seiner Verhaftung arbeitete er bei einem Schweizer Grossverteiler. Sein Lohn war bescheiden. G. wollte schnelles Geld machen und geriet an die falschen Leute. Bis man ihn vor gut einem Jahr wegen Drogen-Delikten verhaftete.
Der Metzger muss in den geschlossenen Strafvollzug nach Lenzburg AG. Vier Monate wird er eingesperrt: «Das war hart», sagt er zu BLICK. «Ich hatte nichts zu tun. Zum Glück wurde ich umgeteilt.» Nun sitzt er seine Strafe im Wauwilermoos ab, eine offene Justizvollzugsanstalt in Egolzwil LU.
Hier ist der Sicherheitsgrad tiefer. Haushohe Mauern gibt es nicht, hingegen Wärter, Gitter und klare Regeln. Eine davon ist: Jeder Gefangene muss arbeiten. Es sind aber stupide Fliessband-Jobs. Zur Anstalt gehören unter anderem ein Landwirtschaftsbetrieb, eine Gärtnerei und neu auch eine Metzgerei.
Der Erste, der in der Fleischverarbeitung anpacken darf, ist Häftling Flavio G. Noch arbeitet er alleine mit seinem Chef und Aufpasser Markus Banz (29), der ebenfalls gelernter Metzger ist. Zu zweit machen sie gerade mehrere Kilo Bratwürste. «Dass Herr G. vom Fach kommt, ist natürlich Luxus», sagt Banz zu BLICK, während er einen Schweinedarm auf die Spritze aufzieht.
Auch G. lächelt zufrieden und stellt klar: «Es ist fast wie in einer normalen Metzgerei. Die Arbeit hier ermöglicht mir später den Wiedereinstieg ins Berufsleben.» Ein Jahr muss er noch absitzen. Dann wolle er draussen eine Stelle finden.
«Falls einer türmt, droht der geschlossene Vollzug»
Aktuell macht er weisse Bratwürste aus Rindfleisch, eine Spezialität der Anstalt. Das verarbeitete Fleisch ist biologisch und stammt von Tieren aus dem Gefängnishof.
In Zukunft sollen ausgewählte Gefangene sogar die Möglichkeit erhalten, während ihrer Haft die Lehre zum Metzger zu machen. Erfolgreiche Absolventen erhalten so das Eidgenössische Berufsattest (EBA). Die Gefangenen besuchen dafür einmal pro Woche die Gewerbeschule ausserhalb der Anstalt.
Bedenken hat Betriebsleiter Cyril Nietlispach (62) deshalb keine: «Diese Chance erhalten nur ausgewählte Leute, bei denen die Ausbildung Sinn macht. Eine Flucht ist unwahrscheinlich.» Er fügt an: «Falls doch einer türmt, droht der geschlossene Vollzug. Das schreckt ab.»
Zudem zeigt die Erfahrung: Das System funktioniert. 2017 machten fünf Häftlinge ihren Abschluss. Unter anderem als Agrarpraktiker, Logistikfachmann und als Verkaufsassistent.
* Name geändert