Wie der Verlag beim Kinderhelden laufend aufräumt
Mehr als die Hälfte der Globi-Bücher aus dem Programm gekippt

Von Rassismus bis Klimaaktivismus: Globi musste sich schon viele Vorwürfe anhören. Der Verlag passt den Kinderhelden stets dem Zeitgeist an.
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Heftiger Shitstorm: Eine falsche Zahl im neuen Buch «Globi und der Wald» löste Entrüstung aus.
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Darum gehts

  • Globi-Buch enthält Fehler über Kuhernährung und löst Kontroverse aus
  • Der Verlag passt Bücher laufend an und entfernt problematische Stellen
  • Mehr als die Hälfte der Globi-Abenteuer werden gar nicht mehr aufgelegt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marco LüssiBlattmacher

Eine falsche Zahl und eine steile These. Das führte dazu, dass Globi, die erfolgreichste Kinderbuchfigur der Schweiz, diese Woche in einen heftigen Shitstorm geriet. Ende November kam der neuste Band aus der Wissen-Reihe des Globi Verlags, «Globi und der Wald», in den Handel. Darin heisst es, dass 80 Prozent der Ernährung von Schweizer Kühen «aus Körnern und Soja» bestehe. Woraus der pfiffige Papagei schliesst: «In Schweizer Milch, Käse und Fleisch steckt also ein Stück Regenwald?»

Nur: Die genannte Zahl ist falsch. Statt bei 80 liegt der Kraftfutteranteil bei rund 10 Prozent. Schon am Tag nach dem Erscheinen des Buchs habe sie vom Fehler erfahren, sagt Globi-Verlagsleiterin Gisela Klinkenberg (65) zum Blick. «Der Fehler war einem jungen Bauern und Förster aufgefallen, der das Buch für seinen Neffen gekauft hatte.» Der Mann wandte sich an den Zürcher Bauernverband, der beim Globi Verlag intervenierte.

Bauernverband hat Entschuldigung akzeptiert

«Es ist ein blöder Zahlenfehler, und Globis Frage klingt tendenziös», sagt Klinkenberg. «Es ist extrem ärgerlich, dass uns beides vor der Drucklegung nicht aufgefallen ist.» Die Globi-Verlagsleiterin hat sich beim Bauernverband entschuldigt, der hat die Entschuldigung angenommen.

In den sozialen Medien schlug Globis Fauxpas hohe Wellen. Manche glauben, das sei nicht einfach ein Fehler, sondern ein Symptom dafür, dass Globi zum fanatischen Klimaaktivisten geworden ist. Zu einem, der sogar zu falschen Angaben greift, um den Kindern seine Ideologie einzutrichtern.

Globis Sorge über den Klimawandel

Dass der Klimawandel schon seit längerem zu Globis Sorgen zählt, ist belegt. «Wärmer wirds seit vielen Jahren. Manchmal bringt es auch Gefahren, wenn das Eis im Boden taut, denn darauf wird oft gebaut», heisst es etwa im Band «Globi und der Polarforscher» aus dem Jahr 2008.

In diesem Buch muss Globi erst die Stützen eines Berggasthofs in den Bündner Alpen verstärken, dem wegen des schwindenden Permafrosts der Einsturz droht. Nach dieser erfolgreichen Mission reist er weiter in die Arktis, wo er einem Eisbärenbaby das Leben rettet, das wegen des schmelzenden Eises von seiner Mutter getrennt wird. Verlagsleiterin Klinkenberg wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, dass Globi eine politische Agenda verfolge. «Wir machen Kinderbücher, keine Politik. Globi lebt einfach im Hier und Jetzt, er ist modern.»

Studie warf Globi Rassismus vor

Klimaaktivismus ist nicht das Erste, was dem mit zwölf Millionen verkauften Büchern erfolgreichsten Kinderhelden der Schweiz vorgehalten wird. Eine vom Nationalfonds unterstützte Studie untersuchte 2012 das Buch «Globi und der Urwald» aus den 50er-Jahren. Den «Eingeborenen», die er in Afrika besucht, begegnet Globi zwar durchaus wohlwollend. «Alle lieben Negerlein sollen mir willkommen sein», reimt er etwa.

Doch die Studie kommt zum Schluss, dass der Globi in diesem Buch ein Rassist sei – und ein Befürworter des Kolonialismus. Zu Globis Verteidigung sei gesagt: Diese dunkle Vergangenheit teilt er mit vielen andern – Rassismus muss etwa auch Ringgi und Zofi attestiert werden, den einstigen Kinderbuchfiguren des Ringier-Verlags. Und ein anderer Grosser der Schweizer Kinderbuchliteratur, Papa Moll, kam wegen des transportierten Frauenbilds unter Beschuss, weil Mama Moll sich fast ausschliesslich in der Küche aufhielt.

Globine war ein Flop

Um modern zu bleiben, muss Globi sich ständig verändern. Bei jeder Neuauflage überprüft der Verlag, ob der Inhalt noch vertretbar ist. Klinkenberg: «Dinge, die zum Beispiel vor fünf Jahren noch gingen, werden von der Gesellschaft heute vielleicht nicht mehr akzeptiert.» Teilweise werden an den Geschichten Änderungen vorgenommen, teilweise entscheidet der Verlag, einen Band nicht mehr nachzudrucken.

Seit 1935 erschien jedes Jahr mindestens ein neues Globi-Buch – nächstes Jahr kommt das hundertste heraus. Mehr als die Hälfte der Globi-Abenteuer wurden mittlerweile aus dem Programm genommen. Der Verlag passt Globi laufend dem Zeitgeist an – nicht in jedem Fall mit Erfolg. Als man den Kindern in den 90er-Jahren eine weibliche Alternative zu Globi bieten wollte und mit Globine ein starkes Papageienmädchen schuf, war dies ein Flop – Globine wurde wieder eingestellt. Erst 2015 wurde sie neu lanciert.

Auch das beliebteste Globi-Buch gibts nicht mehr

Dass Globi nun ausgerechnet die Bauern verärgert hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn eigentlich ist Globi am erfolgreichsten, wenn er sich mit der Landwirtschaft befasst. «Wie Globi Bauer wurde» erschien 1941 und ist mit 285'000 verkauften Exemplaren das meistverkaufte Globi-Buch der Geschichte.

Doch auch diesen Band bietet der Verlag nicht mehr an. Globi behandelt in der Geschichte die Hoftiere auf eine Art, die mit den heutigen Tierschutzgesetzen nicht vereinbar ist, tötet sogar einen allzu lauten Güggel. Klinkenberg: «Das Buch war aus der Zeit gefallen.» Als Ersatz brachte der Verlag 2014 ein neues Buch zum gleichen Thema heraus, in dem der Kinderheld biologischen Anbau betreibt: «Globi, der schlaue Bauer». Schlauer wird Globi nun auch in Bezug auf den Sojaanteil auf dem Speiseplan von Kühen: In der zweiten Auflage von «Globi und der Wald» wird die richtige Zahl zu lesen sein.

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