Unser Aussenminister will, dass wir die Spionage-Affäre «vergessen». BLICK kontert:
Vergessen Sie es, Herr Burkhalter!

Aussenminister Didier Burkhalter hat sich zur Spionage-Affäre geäussert. «Wir müssten das ein bisschen vergessen», findet er. Ganz und gar nicht, findet hingegen BLICK. Ein offener Brief.
Publiziert: 08.05.2017 um 23:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:57 Uhr
Aussenminister Didier Burkhalter redet die Spionageaffäre klein. «Wir müssten das ein bisschen vergessen», sagt er.
Foto: Pascal Mora
Andreas Dietrich

Sehr geehrter Herr Bundesrat Burkhalter,

Sie mögen Spionage-Geschichten sicher auch. Geheimnisvoll, undurchsichtig, verworren – voller Spannung. Gespannt waren wir auch, was Sie zu jenem Agenten-Thriller sagen, der die Schweiz seit Tagen in Bann zieht. Jenseits des Komplizierten steht fest: Heute sitzt Spion Daniel M. in deutscher Untersuchungshaft. Er sollte im Auftrag und im Sold der Eidgenossenschaft deutsche Finanzbeamte aushorchen. Mit Absicht, aus Versehen oder schierer Dummheit haben ihn die Schweizer selber ans Messer geliefert. Die leichte Beute freut die Deutschen, der Spionageakt durch das befreundete Nachbarland empört sie.

Wird der frustrierte Spion jetzt singen? Wie explosiv sind die Geheimnisse, die er preisgeben könnte? Wer genau hat ihm den fragwürdigen Auftrag gegeben? Warum? Wer wusste alles davon? Wer ist für den Dilettantismus verantwortlich? Hat Nachrichtendienstchef Markus Seiler seinen Laden im Griff? Will Bundesanwalt Michael Lauber vor allem so cool sein wie sein Spitzname «Mike», oder hat er mehr drauf? Sind den Leuten, welche die Schweiz schützen sollten, Steuersünder wichtiger als Dschihadisten und Terroristen?

Gestern haben Sie, Herr Bundesrat, BLICK kurz Auskunft gegeben. Die brennenden Fragen löschten Sie mit vier Worten: «Es ist eine Altlast.» Heute sei «eine ganz andere Welt», sagten Sie, unser höchster Verhandler mit der Welt. Und zur Krönung fügten Sie an: «2017 müssten wir jetzt wieder im 2017 landen und ein bisschen von 2014 oder 2012 oder 2011 vergessen.»

Ein bisschen vergessen also.

Gemeinsames Vergessen ist gefährlich, Herr Bundesrat. Sie möchten ja zum Beispiel auch nicht 2009 vergessen. Das ist das Jahr, in dem Sie gewählt wurden.

Nein, Herr Bundesrat, Ihrer sanft verordneten ­Geschichtsgnade folgen wir nicht. In der heutigen «ganz anderen Welt», wie Sie es nennen, haben wir es nicht so gern, wenn uns die Obrigkeit einlullend über unsere einfältigen Köpfchen streichelt.

Ihre Worte sind nicht ein bisschen befremdlich gewählt. Sie sind ein Affront! Für den Spion, der im Auftrag Ihres Landes und im Wissen des Bundesrats handelte, und der heute im Ausland in einer Zelle hockt. Gegenüber den Bürgern, denen Sie Ihr Amt verdanken, ist Ihre Aufforderung herablassend und beleidigend. In der heutigen «ganz anderen Welt» wollen wir Aufklärung. Nicht ein bisschen – voll und ganz.

Alles andere können Sie vergessen.

Mit freundlichen Grüssen
Andreas Dietrich, Chefredaktor BLICK

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Der Spion Daniel M. sollte Details herausfinden, wie die Deutschen an die Steuer-CDs herangekommen waren. Offenbar teilweise mit Erfolg.
Foto: Igor Kravarik
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