Mit offiziellen Absender von Behörden oder Firmen versuchen Internet-Betrüger seit einigen Monaten, unter anderem an die Kreditkarteninformationen der Empfänger zu kommen. (Symbolbild)
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Tutti gelogen
Betrüger zockt Kunden mit falscher ID ab

Stefan S. (32) bezahlte 1100 Franken für ein Handy auf tutti.ch. Doch das Gerät hat er nie erhalten. Als er sich wehren wollte, bemerkte er: Der Verkäufer existiert gar nicht – kein Einzelfall.
Publiziert: 31.12.2018 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2018 um 17:37 Uhr
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Stefan S. fiel auf Rudolf Maurer rein.
Foto: zVg
Helena Schmid

Mit einem vermeintlichen Schnäppchen im Netz fängt alles an. Stefan S.* (32) entdeckt auf tutti.ch ein Inserat für ein neuwertiges iPhone Xs. Preis: 1100 Franken. Er nimmt via Whatsapp Kontakt mit dem Verkäufer auf.

Der Mann stellt sich als Rudolf Maurer vor, sendet ihm gleich die Angaben zu seinem Konto bei der Credit Suisse. «Sobald du mir die Bestätigung für die Überweisung gesendet hast, schicke ich das Gerät ab», so Maurers Vorschlag. Stefan S. ist misstrauisch. Zur Absicherung schickt ihm der Verkäufer ein Foto seiner Identitätskarte – Rudolf Maurer, Jahrgang 1994 – und schreibt: «Hier haben Sie meine Personalien. Sie können sich beschweren, wenn ich mein Versprechen nicht halte.» Stefan S. ist überzeugt und überweist.

Nichts in der Hand

Auf das Päckchen wartet er vergebens. Rudolf Maurer reagiert nicht auf Nachrichten und Anrufe. Stefan S. will Anzeige erstatten. Doch bei einem genauen Blick auf die ID fällt ihm auf: Der Ausweis ist gefälscht. Maurer steht unter Vorname, Rudolf als Nachname. Zudem stimmt die Unterschrift nicht.

Stefan S. ist entsetzt: «Plötzlich hatte ich gar nichts mehr in der Hand», sagt er. Die Anzeige muss er nun gegen unbekannt einreichen.

Betrüger Rudolf Maurer hat auch bei Rolf K.* (40) aus Basel zugeschlagen. Dieses Mal unter dem Namen Thomas Curschellas, Jahrgang 1973 – mit Konto bei der St. Galler Kantonalbank. «Ich habe ihm 350 Franken für eine Kamera bezahlt. Das Gerät kam nie», sagt K.

IDs mit Bildsoftware überschrieben

BLICK liegen noch zwei weitere Betrugsfälle unter der gleichen Handynummer vor. Einmal heisst der Verkäufer Vincenzo Mancuso – und hat dasselbe Gesicht wie Rudolf Maurer und ein Konto bei der UBS. Einmal heisst er gar Rebbeca Straub, ebenfalls mit UBS-Konto.

Die Namen auf den IDs wurden mithilfe einer Bildsoftware überschrieben, bestätigt das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf BLICK-Anfrage. Stefan S. hadert: «Das hätte mir auffallen müssen. Aber die Kontoangaben passen zur ID. Wie kann diese Person nicht echt sein?»

Ein Konto, das im Namen einer nicht existenten Person läuft, nennt man Geisterkonto – es ist in der Schweiz illegal. Sicherheitsexperte Candid Wüest (41) von der Firma Symantec erklärt: «Die bearbeiteten Fotos reichen nicht aus, um die Schweizer Banken zu überlisten und ein Geisterkonto zu eröffnen.» Vielmehr sei ein physisch gefälschter Ausweis nötig.

Alles einfach im Darknet zu haben

Wüest weiss: «Diesen erhält man auf Fotovorlage schon für 100 Franken im Darknet.» Und: Mit der gefälschten ID habe der Betrüger das Konto dann vermutlich online erstellt. Denn: Das Verfahren zur Prüfung der Identität sei bei einer Onlineeröffnung deutlich einfacher auszutricksen als am Schalter.

Die ID muss während eines kurzen Videochats nur vor der Kamera gezeigt und bewegt werden, damit das Hologramm zur Geltung kommt. Der Experte: «Schon eine mässig gute Fälschung reicht, um das Verfahren zu bestehen.» Der Betrüger könnte sich aber auch das ganze Konto im Darknet beschafft haben. Wüest weiter: «Ein Konto bei einer Schweizer Bank mit E-Banking-Zugang und Kreditkarte kostet im Darknet etwa 1000 Franken.»

Betrüger tingeln von Bank zu Bank

Immerhin: Sobald der Bank der Betrug auffällt, wird das Konto eingefroren. «Bis dahin hat der Betrüger das Geld aber meist schon abgehoben oder weitertransferiert», sagt Wüst. Innerhalb eines Monats ergaunern Internetbetrüger so bis zu 30'000 Franken. Wüest: «Meist ziehen sie sich dann zurück oder ändern die Taktik.»

Auch im Fall von Stefan S. wurde der Betrüger noch nicht gefunden: «Ich werde meine 1100 Franken wohl nie wieder sehen», sagt er. Das iPhone hat er nun bei einem anderen Anbieter gekauft  und höchstpersönlich abgeholt.

Die UBS und die Credit Suisse wollten sich auf BLICK-Anfrage nicht zu den ID-Fällen äussern. 

* Name geändert

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