Wolf gesichtet
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Wolf gesichtet im Tessin:Wolf gesichtet

Tessiner Landwirte und Gassigänger in Angst
Wolf reisst neun Schafe nahe Wohngebiet von Gordola TI

Mit Schafrissen haben die Tessiner immer wieder zu kämpfen. Doch so nah ist noch nie ein Wolf einer Gemeinde auf den Pelz gerückt.
Publiziert: 20.11.2018 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2018 um 10:38 Uhr
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In der Nacht auf Montag riss ein Wolf fünf Schafe auf dem Hof von Barbara Gianettoni (50) in Gordola TI.
Foto: ZVG
Myrte Müller

Flugplatz, Bahnhof, Autobahn A13, Häuser – eigentlich gehören sie nicht gerade zu den bevorzugten Aufenthaltsorten eines Wolfs. Und doch lassen Autos, Züge, Spaziergänger den Räuber der Magadino-Ebene kalt. Er läuft am Samstag am Fluss Ticino entlang. In der Nacht bricht er bei Riazzino TI in ein Gehege ein und tötet vier Schafe. Der Hunger ist jedoch noch nicht gestillt. 

Schon in der Nacht darauf schlägt der Wolf wieder zu. Diesmal ein paar Kilometer westlich, in Gordola TI. Er überspringt einen etwa 1,50 Meter hohen Zaun, landet auf der Weide von Landwirtin Barbara Gianettoni (50). Ihre Schafe haben keine Chance. Der Wolf hetzt sie, beisst zu. 

«Er riss fünf Tiere, mehr als ein Drittel meiner Herde. Vier junge, kräftige Tiere und ein älteres Mutterschaf. Alle waren hochträchtig. Ihnen wurde die Kehle durchgebissen», sagt die Tessiner Bio-Bäuerin zu BLICK. «Es bricht mir das Herz.» Jetzt bangt Barbara Gianettoni auch um ihre anderen Mutterschafe. «Einerseits kann der Wolf wiederkommen, andererseits fürchten wir Totgeburten durch den erlebten Stress.»

«Wir haben Angst um unsere Kälbchen»

Auch Nachbar Robert Aerni (64) aus Gordola ist in Sorge. «Wir haben Kälbchen und unsere Ställe sind, wie es die Vorschrift verlangt, recht offen gehalten», sagt der Landwirt und Präsident des Tessiner Bauernverbands. Ein Leichtes für den Wolf einzudringen. Gut schlafen wird Aerni die kommenden Nächte nicht. «Wir werden verdammt wachsam sein», sagt der Tessiner. Denn mit nur neun Rissen geht es dem Wolf noch nicht ans Fell. Laut Gesetz muss er erst 25 Tiere getötet haben, um abgeschossen werden zu können. 

Nicht nur die grausamen Schafsrisse erschrecken die Gemeinde am Lago Maggiore. «Der Wolf lief nur wenige Hundert Meter an unserer Sekundarschule vorbei. Am Fluss-Ufer spielen Kinder, gehen Leute mit ihren Hunden Gassi. Das macht schon Angst», sagt Barbara Gianettoni. Der Grossräuber selbst spazierte am helllichten Tag über die Wiesen, sodass er von einigen Augenzeugen aus dem Auto heraus gefilmt werden konnte. 

CVP-Nationalrat fordert die Tötung des Räubers

CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (56), selber aus Gordola, warnt: «Wölfe sind intelligente Tiere. Sie passen sich ihrer Umwelt an. Sie lernen, mit den Menschen zu koexistieren, wenn wir nicht eingreifen.» Seit Jahren wisse man, dass im nahe gelegenen Morobbiatal ein Wolfspaar bereits mehrmals geworfen habe. Nie habe man eingegriffen.

«Solange die Wölfe oben in den Bergen eine Ziege oder ein Reh reissen, ist es okay. Aber dass sie in unsere Wohngebiete kommen, geht gar nicht», sagt der Politiker, der auch Präsident der Tessiner Jägervereinigung ist. «Wer wird, sollte tatsächlich einmal etwas Schlimmes passieren, dafür die Verantwortung übernehmen?» Daher fordert Regazzi, dass der Abschuss des Wolfs ernsthaft geprüft wird. 

Das Amt für kantonale Jagd und Fischerei versucht unterdessen zu beruhigen «Es ist richtig, dass alles auf einen Wolf hindeutet», sagt Federico Tettamanti (30), «doch es ist anzunehmen, dass das Tier weiterzieht. Vor allem, wenn es sich um einen jungen Rüden handelt.» Ob er aus dem Wurf des Wolfspaars aus dem Morobbiatal stammt oder aus Italien einwanderte, wird sich erst in frühestens vier Wochen herausstellen. «Solange dauert die Analyse der DNA-Proben, die wir bereits in die Deutschschweiz geschickt haben», sagt Federico Tettamanti.

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