Chef von Ceneri-Baufirma verhaftet – Nationalrat Regazzi ist alarmiert
«Die Schweiz wird zum Paradies für die Mafia»

Schon im Mai 2017 warnte Fabio Regazzi (55), CVP-Politiker und Präsident des Tessiner Industrie-Verbands, vor dem dubiosen Konsortium Condotte-Cossi. Jetzt wurde dessen Chef, Duccio Astaldi, wegen Korruption festgenommen.
Publiziert: 17.03.2018 um 14:33 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:48 Uhr
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Fabio Regazzi, CVP-TI, warnte früh vor dem dubiosen italienischen Unternehmen Condotte-Cossi.
Foto: Keystone
Myrte Müller

BLICK: Vor wenigen Tagen wurde Duccio Astaldi verhaftet. Sagt Ihnen der Name was?
Fabio Regazzi: Allerdings. Astaldi gehört zum Konsortium Condotte-Cossi, die von der AlpTransit Gotthard AG das Hauptlos für den Vortrieb im Ceneri-Basistunnel erhielt. Ein Auftrag in Höhe von über einer Milliarde Franken. Der Mann war 2010 bei den Feierlichkeiten zum Baubeginn in Sigirino TI dabei.

Was steckt hinter der Unternehmensgruppe?
Condotte SpA ist eine multinationale Gesellschaft, aktiv im Strassen- und Tunnelbau. 2010 erwarb sie die LGV AG mit Sitz in Bellinzona und fasste damit Fuss in der Schweiz, wo sie bedeutende Bauaufträge abräumte. Neben dem AlpTransit-Auftrag erhielt sie als Konsortium Condotte-Cossi auch den Zuschlag für den Bau des Albula-Tunnels in Höhe von 255 Millionen Franken und den Deal von Armasuisse auf dem Ceneri, weitere 10 Millionen Franken.

Hat Sie die Verhaftung von Duccio Astaldi überrascht?
Nein, damit konnte man rechnen. Ich bin schon im vergangenen Jahr auf äusserst dubiose Machenschaften von Astaldi gestossen. In Italien wurde bereits in verschiedenen Fällen gegen ihn oder seine Mitarbeiter ermittelt. Im Jahr 2008, mitten in der AlpTransit-Ausschreibung, wurde dem Unternehmen das Antimafia-Zertifikat entzogen. Danach wurden fünf Mitarbeiter wegen Mafia-Zugehörigkeit verhaftet.

Wie kommen Sie zu diesen Informationen?
Ein freier Journalist aus dem Tessin hat mir von seinen Recherchen berichtet. Ich habe dann am 4. Mai eine Interpellation an den Bundesrat eingereicht. Ich wollte wissen, zu welchen Aufträgen das Konsortium in der Schweiz gekommen ist. Und ob der Bund über die strafrechtlichen Ermittlungen Bescheid wusste. Ich wollte auch Antwort auf die Frage, ob es vertretbar ist, Bauaufträge an Unternehmen zu vergeben, gegen die unter anderem wegen Mafia-Verbindungen ermittelt wird.

Wie war die Antwort des Bundes?
Eher schwammig. Die Ermittlungen würden noch laufen, und so lange gelte die Unschuldsvermutung. Doch das Gesetz will Bern ändern. Unternehmer mit Vorstrafen und laufenden Strafverfahren gegen sie sollen von Ausschreibungen ausgeschlossen werden können.

Warum erhalten solch dubiose Gesellschaften aus dem Ausland Hauptlose für Grossprojekte?
Sie sind billiger als die Konkurrenz. Zudem sind die Schweizer zu naiv. Sie haben zu viel Vertrauen.

Warum können diese meist italienischen Unternehmen unsere Mitbewerber unterbieten?
Häufig geht es um Geldwäsche. Es wird auch mit falschen Rechnungen gearbeitet oder minderwertiges, billiges Baumaterial eingekauft.

Das prüft keiner nach?
Die Schweizer Unternehmen müssen alles gründlich dokumentieren, wenn sie an einer Ausschreibung teilnehmen. Bei den Ausländern hingegen reicht eine Selbstauskunft. Das ist doch ein Witz.

Was muss die Schweiz tun?
Die Schweiz muss verdammt aufpassen, dass im Bauwesen nicht eine Anarchie ausbricht. Sie darf kein Paradies für die Mafia werden. Wir dürfen Unternehmen mit Dreck am Stecken nicht auch noch öffentliche Mittel hinterherwerfen und dabei unsere eigenen Unternehmen, die sich korrekt verhalten und unseren Wohlstand sichern, schaden.

Eine multinationale Gruppe mit Dreck am Stecken

Strassen, Tunnel, Brücken, Staudämme, Airports, Häfen – das Portfolio der Condotte SpA ist prall gefüllt. Das macht Eindruck. Doch was die AlpTransit Gotthard AG vor knapp neun Jahren am meisten überzeugt, ist das Angebot des römischen Unternehmens. Es schlägt jenes aller anderen Mitbieter. Das Konsortium Condotte-Cossi darf darum den Ceneri-Basistunnel bauen. Für mehr als eine Milliarde Franken! Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Bereits während der Ausschreibung entzieht Italien der Gruppe das Antimafia-Zertifikat, weil Verbindungen zur 'Ndrangheta auftauchen. Vor einer Woche wurde Condotte-Präsident Duccio Astaldi verhaftet. Er soll auf Sizilien für den Bau eines Autobahnstücks zwischen Siracusa und Gela Verantwortliche geschmiert und die öffentliche Ausschreibung umgangen haben.

Strassen, Tunnel, Brücken, Staudämme, Airports, Häfen – das Portfolio der Condotte SpA ist prall gefüllt. Das macht Eindruck. Doch was die AlpTransit Gotthard AG vor knapp neun Jahren am meisten überzeugt, ist das Angebot des römischen Unternehmens. Es schlägt jenes aller anderen Mitbieter. Das Konsortium Condotte-Cossi darf darum den Ceneri-Basistunnel bauen. Für mehr als eine Milliarde Franken! Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Bereits während der Ausschreibung entzieht Italien der Gruppe das Antimafia-Zertifikat, weil Verbindungen zur 'Ndrangheta auftauchen. Vor einer Woche wurde Condotte-Präsident Duccio Astaldi verhaftet. Er soll auf Sizilien für den Bau eines Autobahnstücks zwischen Siracusa und Gela Verantwortliche geschmiert und die öffentliche Ausschreibung umgangen haben.

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