Der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann (53) und sein Kollege, Kripochef Daniel Bussmann (58), stehen heute wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind happig: Die beiden tragen die Verantwortung am verpatzten Polizeieinsatz in Malters LU vom 8. März 2016. Sie sollen schuld sein am Selbstmord von Ursula R.* (†65). Die Angeklagten bestreiten dies: Der Einsatz sei rechtmässig abgelaufen. Achermann droht eine bedingte Geldstrafe von maximal 50’400 Franken, Bussmann eine von 67’200 Franken. Bei einer Probezeit von jeweils zwei Jahren.
Polizeipsychologe war dagegen
Die umstrittene Aktion nimmt ihr unglückliches Ende um zwölf Uhr mittags: Die Sondereinheit Luchs stürmt nach 19-stündiger Belagerung die Wohnung von Grossdealer Daniel O.* (47) wegen dessen Hanfindoor-Anlage. Zu Hause ist nur seine Mutter Ursula R. Während die Beamten die Tür aufbrechen, erschiesst sich die paranoide Frau mit einer Pistole. Der Zugriff findet statt, obwohl ein Polizeipsychologe ausdrücklich dagegen ist! Er befürchtet den Selbstmord der Frau. Achermann und Bussmann wissen von der Warnung. Bis zum Unglück verhandelt die Polizei mit R. am Telefon. Sie droht, auf sich oder Beamte zu schiessen. Ihr Sohn Daniel O. ist zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft.
«Suizid wäre vermeidbar gewesen»
Der frühere Basler Kommissar Markus Melzl (65) fällt ein hartes Urteil: «Ja, die Luzerner Polizei machte Fehler. Den Suizid hätte man verhindern können.» Für ihn ist klar: «Es wäre ratsam gewesen, mit dem Zugriff abzuwarten!» Aus seiner Sicht schöpften die angeklagten Polizeikader nicht alle Möglichkeiten aus: «Man hätte zwingend den inhaftierten Sohn mit seiner Mutter sprechen lassen müssen. Per Telefon oder Sichtkontakt – etwa aus einem Auto heraus.» Laut Melzl hätte man sich dadurch nichts vergeben. «Daniel O. hätte man sichern können.»
Doch warum ist Warten hier die bessere Option? «Es ist sehr wohl denkbar, dass Frau R. aufgegeben hätte oder eingeschlafen wäre», so Melzl. «Zumal objektiv kein zeitlicher Druck bestand.» Der Basler Ex-Kommissar vergleicht den Polizeieinsatz in Malters LU mit dem in Uster ZH wegen eines Rentners (74), der sich vor zwei Wochen bewaffnet in seiner Wohnung verschanzte (BLICK berichtete). Nach 29 Stunden gab der demente Mann erschöpft und weinend auf.
«Die Zürcher machten in Uster ZH alles richtig»
Melzl stellt fest: «In beiden Fällen waren die Täter keine hochgefährlichen Verbrecher, sondern Menschen mit einer psychischen Krankheit.» Für ihn war der Einsatz in Uster ein Paradebeispiel dafür, wie man es richtig macht: «Die Zürcher Polizei nutzte den Faktor Zeit perfekt aus.» Und: «Sie liess sich nicht von Nachbarn unter Druck setzten, die zurück in ihre Wohnungen wollten.» Der Experte ist überzeugt, dass gelungene und missglückte Aktionen Einfluss auf die künftige Polizeiarbeit haben. «Man muss jetzt aber nicht Kommandant Achermann und Kripochef Bussmann an den Pranger stellen, sondern die richtigen Lehren daraus ziehen.»
* Namen der Redaktion bekannt