Grauer Vollbart, beige Windjacke, schlabbriges Hemd. In der Hand hält er einen Plastiksack mit Akten. Der Mann auf der Anklagebank vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt sieht aus wie ein Frührentner, nicht wie James Bond.
Doch genau das ist Daniel M.* (54). Ein Spion in Schweizer Diensten. So jedenfalls sieht das die Anklage. M. wird verdächtigt, einen Maulwurf in Nordrhein-Westfalens Finanzverwaltung eingeschleust zu haben. Sein Auftrag: Ausspionieren, was die Deutschen tun, um an Schweizer Bank-CDs zu gelangen.
«Sudoku machen»
Zudem soll er drei deutsche Steuerfahnder ausgekundschaftet haben. Er musste eine lückenhafte Liste mit persönlichen Daten der Fahnder für den Schweizer Nachrichtendienst (NDB) vervollständigen. Sudoku machen, nannte das M. Damit sei den Schweizer Behörden eine Verfolgung der Deutschen möglich gewesen. M. bestreitet die Maulwurf-Aktion, gibt aber zu, dem NDB «zusätzliche Angaben» zu den Fahndern geliefert zu haben.
Kaum läuft die Verhandlung in Frankfurt, pausiert sie wieder. Denn das grosse Feilschen zwischen Verteidigung und Anklage um einen Deal hat begonnen. Erst nächsten Donnerstag soll es weitergehen.
Anklage fordert Geständnis
Der Bundesanwalt will ein Geständnis im Sinne der Anklage. Er fordert von M. Angaben zum Maulwurf, die dessen Identifikation nachvollziehbar machen würden. Ausserdem müsste M. eine Bewährungsauflage um die 50’000 Euro zahlen. Das Geld wäre futsch, ohne Recht auf Rückzahlung. Dafür würde im Gegenzug der Haftbefehl aufgehoben und M. bekäme eine «milde» Bewährungsstrafe von eineinhalb bis zwei Jahren.
So eine Bewährungsstrafe wäre für M.s Anwälte ein Erfolg. Schliesslich droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Allerdings ist der Deal nicht so einfach: Robert Kain, M.s deutscher Anwalt, sagt: «Es gibt diese Quelle nicht. Und es hat sie nie gegeben.» Die Verteidigung muss also Infos liefern, aber gleichzeitig bestreiten sie den Maulwurf.
Gericht will wissen, an wen Daniel M. gezahlt hat
Der Richter fordert für einen Deal jedenfalls eine «glaubhafte Darstellung», wofür und an wen M. Gelder bezahlt hat. Gemeint sind Zahlungen von mindestens 60’000 Euro, die M. vom NDB bekommen hat, um zu schnüffeln. «Wir wüssten schon gerne, wer sich noch alles im Verfahren versteckt», so der Richter. Ein solches Geständnis würde das Gericht annehmen: «Aber nicht ein Pro-Forma-Geständnis».
Anwalt Kain braucht also eine gute Story, was mit dem Geld vom NDB geschehen ist. «Ich sage nicht, wie wir es machen werden», sagt Robert Kain zu BLICK vor dem Gericht. Er will nun klären, ob M. so eine hohe Summe überhaupt zahlen kann. Er sei grundsätzlich immer optimistisch.
Die Spionageaffäre um M. flog Ende April auf. Die Affäre ist ein Fiasko für die Schweiz. Der Bundesrat war über die Aktivitäten des NDB im Bild. Der Ex-Polizist und UBS-Mann sitzt seither in U-Haft. Vor Gericht sah er seine Lebenspartnerin und die beiden Töchter seit langem wieder. Am Ende des Prozesstages durfte er sie kurz in die Arme schliessen. Dann schloss sich die Tür aus Panzerglas schnell wieder.
*Name der Redaktion bekannt