Es sind schockierende Ereignisse, von denen Fachstellen aus dem Bereich der Senioren-Betreuung in der Schweiz berichten: Betagte leben verwahrlost und praktisch ohne Unterstützung im Alltag, Pflegebedürftige werden von den eigenen Familienmitgliedern gefesselt, eingesperrt oder gar mit Gewalt bestraft.
Insgesamt 397 Beschwerden gingen laut der «SonntagsZeitung» bei der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA) im vergangenen Jahr ein. Das ist ein Rekord. Mit insgesamt 138 Vorkommnissen liegen die meisten Fälle im Bereich psychischer Übergriffe. Gemeldet würden aber auch diverse Grundrechtsverletzungen sowie 49 physische Übergriffe.
Das Ausmass der Übergriffe dürfte in der Realität noch um einiges höher sein: «Wir gehen gestützt auf internationale Studien davon aus, dass jede fünfte Person im Alter von Gewalt betroffen ist», sagt UBA-Geschäftsführerin Ruth Mettler Ernst.
«Die Situation verlangt ihnen viel Zeit und Kraft ab»
Dabei lässt sich beobachten, dass es vor allem in der privaten Betreuung zu immer mehr Misshandlungen kommt. Auch das lässt sich mit traurigen Zahlen bestätigen. Gemäss der nationalen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2016 insgesamt 489 Personen über 60 Jahre Opfer von Straftaten im häuslichen Bereich – darunter sind 15 vorsätzliche Tötungen durch Personen aus dem privaten Umfeld.
Als Ursache macht Mettler Ernst von der UBA in erster Linie eine Überforderung der Angehörigen aus. «Oft geraten sie völlig unvorbereitet in eine Situation, die ihnen viel Zeit und Kraft abverlangt», sagt sie gegenüber der «SonntagsZeitung». Dadurch würden viele an ihre Grenzen gelangen.
Mit einer entsprechenden Kampagne will die UBA nun auf das Problem aufmerksam machen und vor allem auch diejenigen Menschen ansprechen, die sich privat um einen Pflegefall kümmern müssen. «Wir wollen den Leuten zeigen, dass sie sich nicht schämen müssen, wenn sie überfordert sind», sagt Geschäftsführerin Mettler Ernst. (cat)