Junge Männer verprügeln fünf Frauen vor einem Nachtclub in Genf. Eine von ihnen fällt für mehrere Tage ins Koma. Die Schweiz ist schockiert.
Der brutale Übergriff provozierte eine Debatte über die alltägliche Gewalt an Frauen – und zieht jetzt Kreise bis in die höchste politische Ebene. Gegenüber dem SonntagsBlick äussert sich Justizministerin Simonetta Sommaruga zum Vorfall in Genf: «Gewalt gegen Frauen ist nicht akzeptabel. Da darf es keine Ausreden geben.» Sie wisse das, seit sie als junge Frau in einem Frauenhaus ge-arbeitet habe. Deshalb setze sie sich seit langem dafür ein, dass die Übergriffe auf Frauen endlich aufhörten.
Derzeit mit zwei Vorlagen im Parlament, mit denen die Bundesrätin wirksam gegen häusliche Gewalt und Stalker vorgehen will. Zudem habe sie höhere Strafen für Gewalttäter und Sexualverbrecher vorgeschlagen. Die Botschaft dahinter sei klar: Wir dürfen Gewalt und Belästigungen nicht hinnehmen.»
Dass nun viel geredet, aber wenig getan werde, kritisiert Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter. Sie fordert, dass endlich auf höchster politischer Ebene wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben würden. Diese sollen aufzeigen, welche Tätergruppierungen Gewalt gegen Frauen ausüben. Sind es etwa vor allem Männer mit Migrationshintergrund, könnte mit geeigneten Massnahmen gezielt dagegen vorgegangen werden.
Häufig kommts nicht zur Anzeige
Ein Problem in der Schweiz ist allerdings, dass viele Frauen Übergriffe gar nicht erst anzeigen. Bundi gesteht ein, dass es besonders im öffentlichen Raum teilweise schwierig sei, die Täter zu finden, da diese schnell und meist unerkannt in den Menschenmassen verschwinden.
Trotzdem rät die Polizistin den Frauen eindringlich dazu, jeden einzelnen Fall anzuzeigen. «Die Polizei wird alles daransetzen, die Täter zu ermitteln.» Diese Fälle werden sehr ernst genommen, sagt sie. In jedem Kanton gebe es speziell dafür geschulte Polizistinnen, die sich dessen annehmen.
Polizei wenig sensibel
Christina Klausener widerspricht. Sie leitet die Kampagne «16 Tage gegen sexuelle Gewalt an Frauen» und kritisiert die fehlende Sensibilisierung bei der Polizei, gerade bei sexualisierter Gewalt. Erstgespräche mit der Polizei laufen oft wenig sensibel ab, können sogar Retraumatisierungen hervorrufen, sagt sie. Dass die Sensibilisierung für dieses Thema auch bei der Präventionsarbeit fehlt, hat Klausener festgestellt, als sie kürzlich bei einer interkantonalen Präventionsstelle eine Anfrage zu Gewalt an grossen Sportanlässen stellte.
Übergriffe auf Frauen seien dort kein Thema. «Da muss besser hingeschaut und reagiert werden. Sonst ändert sich nie was», sagt Klausener.
Ermutigen, die Vorfälle konsequent anzuzeigen, könnte ein niederschwelliges Angebot, etwa eine nationale Hotline für betroffene Frauen. Genau das fordert die Istanbul-Konvention, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Die Konvention ist hierzulande im April in Kraft getreten. «Die Schweiz muss das nun angehen», sagt Klausener. Wichtig sei es zudem, entsprechende Onlineangebote für Jugendliche zu schaffen.