Über fünf Jahre zu Unrecht im Gefängnis
So viel Geld könnte Zeljko J. vom Kanton Aargau erhalten

Zeljko J. ist seit Donnerstagabend ein freier Mann. Das Bundesgericht hat den Bosnier im Zusammenhang mit dem Werkstatt-Mord von Gränichen AG freigesprochen. Für seine Zeit hinter Gittern steht dem 43-Jährigen eine Haftentschädigung zu.
Publiziert: 09.04.2018 um 18:33 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:00 Uhr
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Zeljko J. war seit Oktober 2012 in Haft – jetzt wurde er freigesprochen.
Foto: Toini Lindroos
Nicola Imfeld

2006 Tage sind eine lange Zeit. Vor allem, wenn man sie zu Unrecht im Gefängnis absitzt. Dieses Schicksal ist Zeljko J. widerfahren. Das Bundesgericht hat den Bosnier am Donnerstag im Fall des sogenannten Werkstattmordes von Gränichen AG vom Vorwurf des Mordes freigesprochen (BLICK berichtete).

Neben der zurückgewonnenen Freiheit hat Zeljko J. auch Anspruch auf eine Haftentschädigung. Laut Schweizer Strafprozessordnung hat diese «angemessen» zu erfolgen. Doch was ist für einen 43-Jährigen angemessen, dem über fünf Jahre seines Lebens geraubt wurden?

Tagesentschädigung vermindert sich mit der Dauer der Haft

Der Zürcher Rechtsanwalt Peter Nideröst sagt zu BLICK: «Da gibt es keine Pauschale. In einem solch extremen Fall berechnet sich die Haftentschädigung aus mehreren Faktoren.»

BLICK rechnet vor: Laut Bundesgericht liegt die Bandbreite der Tagesentschädigung zwischen 100 und 300 Franken pro Tag. Für die Zeit im Gefängnis wird Zeljko J. demnach zwischen 189'900 und 596'700 Franken erhalten. 

Wahrscheinlich ist, dass sich der Bosnier mit dem Minimum abfinden muss. Laut Rechtsanwalt Nideröst vermindert sich der durchschnittliche Tagesansatz, je länger ein ungerechtfertigter Gefängnisaufenthalt gedauert hat. «Die erste Phase ist für den Häftling besonders schlimm. Deshalb ist der Tagessatz bei einer kurzen, ungerechtfertigten Haft höher.» 

Schadenersatz für eine mögliche Karriere

Zusätzlich kann Zeljko J. Schadenersatz für ausbleibendes Einkommen vom Kanton Aargau einfordern. Bei seinem vorherigen Monatslohn von rund 4000 Franken würde ihm das über 250'000 Franken einbringen.

Auch ein höherer Betrag ist denkbar. «Man könnte geltend machen, dass der Herr eine Karriere hingelegt oder zumindest Lohnerhöhungen erhalten hätte», sagt Nideröst.

Schweiz eher zurückhaltend mit Haftentschädigungen

Für den erlittenen Reputationsschaden könnte zudem eine Genugtuungszahlung für den Kanton Aargau fällig werden. Wie viel das sein wird, sei schwierig abzuschätzen, sagt Nideröst. 200'000 bis 300'000 Franken sieht der Rechtsanwalt als realistisch an. 

Zusammengezählt könnte Zeljko J. für seine Zeit im Gefängnis über eine Million Franken erhalten. Für die Schweiz eine stattliche Summe. «Im Vergleich beispielsweise zu den USA ist die Schweiz mit Haftentschädigungen sehr zurückhaltend. Man könnte sogar von einer Insel geringer Genugtuung sprechen.»

Über die Höhe der Haftentschädigung wird das Obergericht in einem neuen Urteil entscheiden. Die Strafen für die Schuldsprüche wegen versuchter einfacher Körperverletzung, Nötigung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Hausfriedensbruch dürften die Entschädigung noch etwas verringern. 

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