Wie die SAMW am Dienstag mitteilte, hat eine von der Zentralen Ethikkommission der SAMW begleitete Studie gezeigt, dass Ärztinnen und Ärzte "grosse Unsicherheiten bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit haben". Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie hat die SAMW deshalb medizinisch-ethische Richtlinien zum Thema Urteilsfähigkeit für die medizinische Praxis ausgearbeitet.
Im Rahmen der dreimonatigen Vernehmlassung im Sommer 2018 waren insgesamt 75 Stellungnahmen zum Richtlinienentwurf eingegangen, wie es in der Mitteilung heisst. Daraus ergaben sich Präzisierungen der Richtlinien sowie ein zusätzliches Kapitel zur Evaluation der Urteilsfähigkeit bei Menschen mit geistiger Behinderung. Der Senat der SAMW genehmigte die Richtlinien schliesslich am 29. November.
In den Richtlinien wird grundsätzlich von der Urteilsfähigkeit des Menschen ausgegangen. Eine Zuschreibung von Urteilsunfähigkeit kann einzig bei signifikant eingeschränkten mentalen Fähigkeiten erfolgen. Für die Beurteilung ist auch die Tragweite der Entscheidung relevant. Und: Urteilsfähigkeit wird nicht allgemein beurteilt, sondern immer im Hinblick auf eine konkrete Willensäusserung und eine bestimmte Entscheidung.
Eine solche Evaluation sei ein "höchst sensibler Vorgang", der zu schwer wiegenden Eingriffen in die Persönlichkeit führen könne, heisst es in der Präambel zu den Richtlinien. Deshalb lasse sich ein Eingriff ethisch nur rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen für ein bestimmtes Handeln nicht gegeben sind und der Betreffende vor möglichen negativen Konsequenzen seiner Entscheidungen geschützt werden soll.
Allerdings kann nicht nur die Urteilsfähigkeit der Patientin oder des Patienten eingeschränkt sein, sondern auch jene der evaluierenden Person. Angesichts der weitreichenden Konsequenzen ist laut Präambel deshalb auch ein angemessener Umgang mit Befangenheit dringend geboten.
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