Klinikdirektorin über die Medis von Problem-Boris (12)
«Verhaltensauffälligkeiten allein sind kein Grund»

Problemkind Boris (12) wird mit Medikamenten vollgepumpt, damit er ruhig ist. Doch bisher half nichts. BLICK hat mit Prof. Dr. med. Susanne Walitza von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich über die Medikation in ähnlichen Fällen gesprochen.
Publiziert: 05.05.2017 um 20:56 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:56 Uhr
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Boris mit seiner Mutter, Tatsiana Zahner. Der Junge erhielt einen Medikamentencocktail, nachdem andere Behandlungsmethoden bei ihm fehlgeschlagen waren. Heute sitzt Boris in der forensischen Abteilung der Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel.
Foto: Zvg

Der Fall des zwölfjährigen Boris sorgt für Diskussionen einerseits, weil dessen Sondersetting den Staat in Spitzenzeiten monatlich 85'000 Franken kostet. Andererseits machte die «Weltwoche» in dieser Woche publik, dass der Junge mit einem massiven Medikamentencocktail ruhiggestellt wird. Laut dem Magazin geschah dies, ohne dass bei ihm eine bestimmte Krankheit diagnostiziert wurde (BLICK berichtete).

«Ohne Diagnostik wird keine Behandlung durchgeführt – schon gar keine Medikation», sagt Prof. Dr. med. Susanne Walitza, Klinikdirektorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) der Universitätsklinik Zürich zu BLICK. Boris war in deren Kinderstation Brüschhalde eine Zeit lang untergebracht. 

Prof. Dr. med. Susanne Walitza ist Klinikdirektorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) der Universitätsklinik Zürich. Sie ist ausserdem Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich.
Foto: zvg

Zum Fall «Boris» könne die Direktorin aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nichts sagen, jedoch gebe es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie für jede Störung internationale Behandlungsleitlinien. Diese enthalten genaue Vorgaben zur Diagnosestellung und Behandlung. 

In erster Linie werde eine Psychotherapie bei verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen empfohlen. In manchen Fällen wie bei Schizophrenie oder akuter Selbst- und Fremdgefährdung reicht das aber nicht immer aus. Dann können auch Medikamente zum Einsatz kommen. Diese Begründung legte auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) vor, als sie sich für Boris' kostspielige Unterbringung rechtfertigte.

Wenn keine andere Therapie anschlägt

«Medikamente werden immer nur dann eingesetzt, wenn eine Störung so ausgeprägt ist, dass keine andere Therapie ausreichend wirksam war», sagt Klinikdirektorin Walitza. «Verhaltensauffälligkeiten sind allein kein Grund für eine Medikation.» Bei einer allfälligen Medikamentengabe müsse die Wirkung des Medikaments besser sein als andere Behandlungen. Bei Boris wurde derweil eine ganze Reihe von Psychopharmaka ausprobiert – doch nichts half (BLICK berichtete).

Behandlung mit zwei Medikamenten selten möglich 

Normalerweise reicht ein Medikament. «Doch wenn zwei sehr schwere, unterschiedliche Symptome vorliegen, kann in seltenen Fällen eine Behandlung mit zwei Medikamenten notwendig werden», erklärt Walitza.

So zum Beispiel bei der Diagnose ADHS mit Störung im Sozialverhalten. Bei sehr starker Ausprägung könne es zu Kontrollverlust führen. Das Kind greife dann andere Personen an und könne sich und andere schwer verletzen, sagt die Klinikdirektorin. (maz)

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