«Ich will so sein!»
Das falsche Selbstbewusstsein der dicken Teenies

Jeder vierte Teenie ist übergewichtig. Viele tun so, als würde es ihnen nichts ausmachen. Für Experten eine Schutzbehauptung.
Publiziert: 05.10.2015 um 16:40 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:09 Uhr
Dick und stolz? Das Gewicht ist ein heikles Thema.
Foto: Getty Images
Von Claudia Mascherin

Schweizer Kinder sind zu dick. Neue Zahlen belegen: Jeder siebte Kindergärtler hat zu viel Speck auf den Rippen. In der Primarschule ist es bereits jedes fünfte Kind zu schwer und in der Oberstufe bringt jeder vierte Teenie zu viele Kilos auf die Waage.

Wie kann es sein, dass trotz aufwendiger Präventionskampagnen die Zahl übergewichtiger Kinder nur minim sinkt – bei den Teenagern sogar steigt? Blick.ch hat nachgefragt.

Für Lilo Lätzsch (63), Präsidentin des Zürcher Lehrerinnen und Lehrerverbands, fängt das Problem schon bei der Vorbeugung an: «Es ist schwierig, mit einer Präventionskampagne eine Lebenseinstellung zu ändern. Es nützt nichts, im Kindergarten auf gesunde Znünis zu setzen, wenn die Kinder zuhause Fast Food essen.»

Sekschüler vermehrt fettleibig

Die schulärztlichen Dienste von Basel, Bern und Zürich haben das Gewicht von 13'732 Kindern und Jugendlichen im Schuljahr 2013/14 erhoben. Laut «SonntagsZeitung» stieg die Quote der dicken Oberstufenschüler gegenüber 2006 um drei Prozent. Zudem gelten sechs Prozent bereits als fettleibig.

Dass gerade Sekschüler immer dicker werden, überrascht Lätzsch. «Die Teenies sind sehr körperorientiert. Gerade bei den Mädchen fühlen sich viele grundlos zu dick.» Sei dann ein Schüler jedoch tatsächlich übergewichtig, zeige er sich häufig selbstbewusst. Dann hiesse es: «Ich will so sein!» Für Lätzsch eine Schutzbehauptung: «Viele tun so, als würde es ihnen nichts ausmachen.»

«Hier sind die Eltern gefragt», sagt Meike Bottlender (37), Leitender Arzt an der Clienia Littenheid, Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. «Sie können ihr Kind am besten einschätzen. Sehen den Leidensdruck – auch wenn das Kind diesen nicht öffentlich zeigt.»

Kritik kann zu Essstörungen führen

Bottlender räumt aber ein, dass das Thema selbst für die Erziehungsberechtigten heikel ist. «Wir erleben, dass Eltern in dieser Sache zurückhaltend sind.» Nicht ohne Grund! «Solche Äusserungen können zu gestörtem Essverhalten führen», so Bottlender.

Nichtsdestotrotz müsse man reagieren. Zuerst gelte es, die Ursache für das Dicksein zu ergründen. Ist es ein Mangel an Bewegung, sind es schlechte Essgewohnheiten oder ist das Übergewicht medizinisch bedingt?

Der 37-Jährige empfiehlt Eltern, sich professionelle Hilfe zu holen. «Man darf die Kinder und Jugendlichen auch nicht überfordern. Darf nicht zu schnelle und heftige Änderungen erwarten», so Bottlender.

«Wenn ein übergewichtiges Kind kein Interesse daran hat, Gewicht abzunehmen, nützt es nichts, es einfach in den Sportverein zu schicken», so Bottlender. «Dort hinkt es hinterher, wird womöglich noch von anderen Kindern gehänselt. So besteht die Gefahr, dass zum Übergewicht auch noch psychische Probleme hinzukommen.»

Soziale Herkunft – ein bekannter Hintergrund

Der Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Übergewicht ist schon länger bekannt. Die neuste Erhebung stützt diesen Befund. Während bei den Schweizer Schülern 16 Prozent zu viel Gewicht auf die Waage bringen, sind es bei den Ausländern 24 Prozent. Die Unterschiede nach sozialer Herkunft hätten sich gegenüber dem Vorjahr sogar noch akzentuiert, heisst es im jüngsten Bericht.
Laut «SonntagsZeitung» sind beispielsweise im Zürcher Schulkreis Schwamendingen 26,6 Prozent der Schüler zu dick. Im Quartier Zürichberg sind es 8,4 Prozent. In Schwamendingen leben viele bildungsferne Familien und der Ausländerteil ist hoch, der Zürichberg gilt dagegen als privilegiertes Quartier. 

Der Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Übergewicht ist schon länger bekannt. Die neuste Erhebung stützt diesen Befund. Während bei den Schweizer Schülern 16 Prozent zu viel Gewicht auf die Waage bringen, sind es bei den Ausländern 24 Prozent. Die Unterschiede nach sozialer Herkunft hätten sich gegenüber dem Vorjahr sogar noch akzentuiert, heisst es im jüngsten Bericht.
Laut «SonntagsZeitung» sind beispielsweise im Zürcher Schulkreis Schwamendingen 26,6 Prozent der Schüler zu dick. Im Quartier Zürichberg sind es 8,4 Prozent. In Schwamendingen leben viele bildungsferne Familien und der Ausländerteil ist hoch, der Zürichberg gilt dagegen als privilegiertes Quartier. 

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