Am Samstag gegen 8.30 Uhr steigt der Erbe des deutschen Tengelmann-Konzerns in die Klein-Matterhorn-Bahn. Er will für das Skitourenrennen «Patrouille des Glaciers» trainieren. Danach verliert sich die Spur des berühmten Grossunternehmers. Am Samstagabend sendet sein Handy das letzte Signal. Seither sind schweizerische und italienische Retter fieberhaft auf der Suche nach dem Milliardär. Doch das Wetter spielt nicht mit. Im Aostatal mussten die Bergrettungsdienste die Suche am Dienstag ein erstes Mal unterbrechen.
«Schlechtes Wetter schwappt auch auf die Nordseite»
«Am Mittwochmorgen gab es ein kleines Zeitfenster ohne Niederschlag und mit weniger kompakter Wolkendecke», sagt Klaus Marquardt von Meteonews am späten Vormittag zu BLICK. «Jetzt wird das Wetter aber wieder schlechter. Vom Süden her kommt feuchte Luft, und diese wird gegen die Alpen gedrückt.» Die Folge: Im Suchgebiet schneit es heftig. «Das schlechte Wetter schwappt auch auf die Nordseite über», sagt der Meteorologe.
Am intensivsten schneien wird es in der Nacht auf morgen Donnerstag. «Auf der italienischen Seite erwarte ich 30 bis 50 Zentimeter Neuschnee», sagt Marquardt.
«Wind hat Spuren im Schnee wohl längst verweht»
Im Mattertal gibts etwas weniger Schnee. «Aber von Mittwochmittag an nimmt die Bewölkung auch auf der Nordseite zu. Die Suchhelikopter werden dort wohl auch bald nicht mehr fliegen können», glaubt Marquardt. Anjan Truffer von der Air Zermatt bestätigt dem BLICK: «Wir konnten am Mittwochmorgen die Suche weiterführen. Am Nachmittag müssen wir wohl die Suche wieder unterbrechen, weil das Wetter schlecht wird.» Die Hoffnungen schwinden. Meteorologe Marquardt: «Es wird schwierig, bei diesen Verhältnissen jemanden zu finden. Zudem weht im Suchgebiet ein heftiger Wind, der die Spuren im Schnee wohl längst verweht hat.»
Die Sorge wächst mit jeder Minute. Milliardär Haub war allein unterwegs. «Die Familie hat den Suchmannschaften unbegrenzte Mittel zur Verfügung gestellt», sagt Adriano Favre, Leiter der Bergrettungsdienste im Aosta-Tal. «Aber bei diesen Bedingungen sind sie nutzlos.» Man habe sechs erfahrene Bergführer losgeschickt. Diese konnten in der Zeit zwischen Dienstagnachmittag und Mittwochmorgen wegen der schlechten Witterung jedoch nicht weitersuchen.
Heli-Einsatz im Süden nicht möglich
Die italienischen Retter setzten die Suche auf Tourenskis heute Mittwochmorgen fort. Die Aktion wird vom Bergrettungsdienst Zermatt koordiniert. Favre erklärt der italienischen Nachrichtenagentur Ansa: «Der Suchtrupp verfolgt heute die Route von der Theodul-Hütte in Richtung Furggen. Das Ziel ist die Hütte Duca degli Abruzzi.» Nach dieser Route seien alle aufgrund der Wetterverhältnisse in dieser Höhe möglichen Zonen abgegrast, sagt Favre weiter. «Man muss abwarten, bis man mit dem Helikopter rauf kann. Gemäss den aktuellen Wetterprognosen wird der erste mögliche Tag eines solchen Heli-Einsatzes der Freitag sein.»
Favre sagte bereits am Mittwochmorgen zu BLICK: «Die Situation ist verzweifelt. Herr Haub ist auf 3800 Metern aus der Klein-Matterhorn-Bahn ausgestiegen. Er ist alleine unterwegs und das Gebiet ist riesig. Da es sich um ein Gletschergebiet handelt, ist es möglich, dass er in eine Gletscherspalte gefallen ist.»
Karl-Erivan Haub ging anfangs Richtung Monte Rosa
Gesucht wird auch ausserhalb der Pisten, auf Gletschereis bis hin zum Plateau des Rosa-Massivs. «Das Klein-Matterhorn ist ein offizielles Skigebiet», sagt die Gemeindepräsidentin von Zermatt, Romy Biner-Hauser, zu BLICK. «Es ist aber auch Ausgangsort für verschiedene grössere Touren.» In welcher Richtung sich der Milliardär aufmachte? Die Polizei weiss nur, dass er in Richtung Monte Rosa ging. Polizeisprecher Markus Rieder: «Wir machen alles Menschenmögliche, um den Vermissten zu finden. Doch die Situation ist schwierig. Er kann von einer Lawine überrollt worden, von einem Felsen gestürzt oder in eine Gletscherspalte gefallen sein. Vielleicht hat er sich verlaufen oder Herzprobleme gehabt.»
Die Walliser Retter werden um 16 Uhr in einer Medienkonferenz über den Stand der Suche informieren. Die Polizei steht auch in Kontakt mit der Familie, die zusammen mit Freunden angereist ist.
Gigant der Einzelhandels-Branche
Zusammen mit seinem Bruder Christian ist Karl-Erivan Haub seit 2010 an der Spitze des Tengelmann-Imperiums. Das Unternehmen ist ein Gigant in der Einzelhandels-Branche und rangiert laut «Wirtschaftsblatt» derzeit auf Platz zehn der 500 grössten Familienunternehmen Deutschlands. Zum 1867 in Deutschland gegründeten Unternehmen zählen unter anderem die OBI-Baumärkte, der Textil-Discounter Kik sowie Kaiser’s Tengelmann.