Der pädophile Kapuzinerpriester Pater Joël (76) missbrauchte über Jahrzehnte Dutzende von Kindern, 40 Fälle hat er zugegeben (BLICK berichtete). Der Skandal hinter dem Abscheulichen: Er kam für seine Taten nie ins Gefängnis, meist waren sie verjährt. Und er wurde von seinen Ordensbrüdern stets gedeckt. Kaum flog irgendwo sein Treiben auf, versetzten ihn die Kapuziner an einen andern Ort. Heute lebt er unbescholten in einem Kloster in der Ostschweiz.
«Ich hätte Pater Joël anzeigen müssen», sagte in einem Akt später Reue Ephrem Bucher (73) letzte Woche im BLICK. Er war einer von mehreren Schweizer Kapuziner-Chefs, die an der Vertuschung beteiligt waren.
Was wusste der oberste Kapuziner?
Aber er war nicht der einzige. Ins Visier gerät nun Mauro Jöhri (69), zurzeit Generalminister des Kapuzinerordens in Rom und damit Chef der Kapuziner weltweit. Jöhri war von 1995 bis 2001 und von 2005 bis 2006 oberster Kapuziner der Schweiz.
In diese Zeit fällt eine der skandalösesten Versetzungen von Pädo-Priester Joël: 2005 kehrte dieser aus Frankreich in die Schweiz zurück, weil dort gegen ihn ermittelt wurde. 2011 wurde er denn auch zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Unter anderem hatte er seinen Neffen missbraucht.
Der oberste Kapuziner als oberster Vertuscher? Dieser Frage ging vor wenigen Tagen die «Luzerner Zeitung» nach. Unter dem Titel «Reicht der Skandal bis nach Rom?» wird Jöhris Rolle beleuchtet. Auslöser des Berichts war ein anonymes Mail, das Journalisten auf diese Spur locken sollte.
Für den Informationsbeauftragten der Schweizer Kapuziner, Willi Anderau, war sofort klar, wer dahinter steckt: «Konservative Kreise um den Churer Bischof Vitus Huonder», namentlich Giuseppe Gracia, Sprecher des Bistums Chur. Dieser wolle aus kirchenpolitischen Gründen den Kapuziner-Chef anschwärzen.
Heimlicher Informant outet sich
Tatsächlich: Der verdächtigte Gracia gibt jetzt zu, Verfasser des anonymen Mails zu sein. Heute Morgen verschickte er eine Mitteilung, in der er sich als Einflüsterer im Hintergrund zu erkennen gibt – ein höchst ungewöhnlicher Schritt. «Ohne Wissen von Bischof Vitus, aus persönlichen Gründen» habe er «Medienschaffende unter Verweis auf Quellenschutz auf mögliche Verantwortliche im Vertuschungsskandal um Pater Joël aufmerksam gemacht».
Die Schweizer Kapuziner sehen sich in ihrem Verdacht nun bestätigt. «Konservative Kreise um Bischof Vitus Huonder versuchen alles, um Jöhri anzuschwärzen. Es geht gar nicht um die sexuellen Übergriffe», sagt Anderau, Informationsbeauftragter der Schweizer Kapuziner, auf kath.ch, dem Internetportal des katholischen Medienzentrums. Jöhri solle als Kandidat für das Amt des apostolischen Administrators im Bistum Chur abgeschossen werden.
«Ablenkungsmanöver!», «Halbwahrheiten!»
Aus Chur klingt es ganz anders: «Das ist ein Ablenkungsmanöver», schreibt Bischofssprecher Gracia in seiner persönlichen Erklärung. «Man versucht, Pater Jöhri als Vertreter der obersten Hierarchie zu schützen und den eigentlichen Skandal vergessen zu machen. Nach alter Manier versucht man, jene, die Missstände aufdecken, öffentlich zu desavouieren.»
Kapuziner-Chef Jöhri äusserst sich nicht zu seiner Rolle im Fall des pädophilen Ordensbruders Joël. Auf Anfrage von BLICK lässt er durch den Schweizer Pressesprecher ausrichten: «Zurzeit läuft in der Schweiz eine Medienkampagne zu den sexuellen Übergriffen von Pater Joël. Es ist ein komplexer Fall, bei welchem auch viele Halbwahrheiten, Verdächtigungen und einseitige Anschuldigungen herumgeboten werden.» Jöhri werde der Untersuchungskommission Auskunft geben, die in diesem Fall eingesetzt wurde, nicht aber den Medien.