Wie Ftan GR den Tourismus ankurbeln will
Ohne See gehen wir baden!

Die Tourismus-Flaute trifft das Unterengadin besonders hart. Gemeinden haben kein Geld für innovative Projekte. Jetzt springen in Ftan GR Einheimische in die Bresche – mit einem Crowdfunding-Projekt.
Publiziert: 06.05.2017 um 16:19 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:41 Uhr
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Durch Crowdfunding zum Badesee: Präsident Balser Derungs, Projektleiter Michi Beer und Vorstandsmitglied Not Bazzell vom Verein «Pro Ftan».
Foto: GIANCARLO CATTANEO
Marco Latzer

Es ist ruhig in Ftan GR. Zu ruhig, selbst für die 400 Einwohner des Bergdorfs in der Nähe von Scuol. Seit einigen Jahren sind die Gästezahlen rückläufig. Der Bär steppt seit längerem jenseits der Grenze – zum Beispiel im nahen Serfaus in Österreich. «Das Sommergeschäft läuft besonders schlecht. Ohne unsere treuen Stammgäste wäre die Lage wirklich verheerend!», beschreibt Balser Derungs (62) die Lage. Touristiker und Politik reagieren in seinen Augen viel zu ohnmächtig auf die ausländische Konkurrenz. Der Hotelier will den Abwärtstrend nicht mehr länger hinnehmen. 

Crowdfunding soll es richten

Als Präsident des Vereins Pro Ftan kämpft Derungs mit weiteren Einheimischen an vorderster Front gegen die Misere: Sie wollen einen alten Badesee auf Vordermann bringen und wieder eröffnen. Damit sollen mehr Gäste angelockt werden. Der einst beliebte Schwimmteich musste vor über 30 Jahren aufgegeben werden, weil er angeblich nicht dicht war. Das Problem: Beim geplanten Comeback ist die Finanzierung noch nicht im Trockenen. Das kühne Vorhaben schlägt mit 360'000 Franken zu Buche. Ein happiger Betrag für ein kleines Bergdorf. «Alleine können wir das unmöglich stemmen, wir brauchen Hilfe von auswärts», erklärt Derungs. Mit Crowdfunding, also Spendengeldern, wollen die Seebauer einen Drittel der Ausgaben zusammenbringen. Ein weiterer Drittel kommt vom Verein Pro Ftan selbst, der Rest von der Gemeinde Scuol. 

Am liebsten ohne die Gemeinde

Das Interesse am Badeplausch auf 1600 Meter über Meer ist gross: 120'000 Franken haben die innovativen Bergler innert zwei Monaten vom Publikum schon zugesagt bekommen. Das Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht: «Im Idealfall knacken wir die Hürde von 180'000 Franken. Dann können wir auf den Beitrag der Gemeinde verzichten», sagt Not Bazzell (35). Ein klarer Vorteil für das Projekt, da sich die lokale Politik zuvor schon seit über einem Jahrzehnt ohne Lösung mit der See-Idee herumquälte. Ein bisschen Zeit bleibt, die Spenden-Aktion läuft noch 25 Tage.

Badesee als Vorreiter für das Engadin?

«Der Gemeinde fehlt die Power! Deshalb springen jetzt wir als Private ein», sagt Projektleiter Michi Beer (34). Im Sommer 2018 soll der See eröffnet werden. Die Ftaner träumen von täglich 40 Besuchern in ihrem Bade-Bijou. Eine tiefe Zahl; und eigentlich bloss ein Tropfen auf den heissen Stein. Aber es geht ihnen um mehr: «Wir nehmen damit das Schicksal und die Zukunft unseres Dorfes in die eigene Hand», sagt Balser Derungs stolz. 

Die Ftaner hoffen auf Crowdfunding-Nachahmer mit kreativen Ideen im Engadin – und eine Tourismus-Renaissance. Not Bazzell findet: «Viele in der Region haben sich mit der Flaute abgefunden. Wir sehen das anders: Es muss wieder mehr Gäste und Leben bei uns geben!»

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