Die Anti-Pelz-Bewegung ist zurück auf der Strasse: Rund 400 Demonstranten zogen am Samstag cor einer Woche durch die Zürcher Innenstadt, um lautstark ein Ende der Pelzmode zu fordern. Die Teilnehmer waren vorwiegend zwischen 20 und 30 Jahre alt – Angehörige einer Generation, die den Pelz in den letzten Jahren nach langer Ächtung wieder salonfähig machte: In Form von Kragen an Winterjacken und Bommeln an Wollmützen.
Der Boom lässt sich allerdings kaum beziffern: Pelz-Accessoires werden von der Zollstatistik nicht erfasst. Auch die Demo-Flyer bleiben eher allgemein: «Die Schweiz hat noch nie so viel Pelz importiert wie heute.» Tatsächlich wurden 2016 laut Zoll 452 Tonnen Pelz eingeführt – so viel wie seit 1992 nicht mehr. Recherchen von SonntagsBlick aber zeigen: Die Zahlen beruhen auf falschen Annahmen. Den grössten Teil der Importe machen nämlich ganze, gegerbte Felle aus. Deren Menge explodierte in den letzten zehn Jahren von 65 auf 324 Tonnen.
Woran das liegt, kann sich auch der Pelzverband SwissFur nicht erklären – gibt es in der Schweiz doch nur noch ein paar Dutzend Kürschner, die nicht annähernd solche Mengen verarbeiten könnten. Der SwissFur-Kürschner Thomas Aus der Au sagt: «Wir führten Anfang Jahr deshalb eine Recherche durch – erfolglos.»
Argentinien, China, Vietnam
Gemeinsame Recherchen von Zollverwaltung und SonntagsBlick zeigen nun: Der enorme Anstieg ist auf Pelzfelle aus Argentinien, China und Vietnam zurückzuführen. Dabei handelt es sich laut Zollverwaltung «fast ausschliesslich um Schaf- und Kuhfelle» – sie werden als Wohnaccessoires unter anderem bei Ikea oder Landi verkauft, also nicht als Bommel oder Kragen. Wie aber kann es sein, dass alle demselben Irrtum erlegen sind?
Vanessa Gerritsen, Juristin bei Tier im Recht, der Organisation, von der die Demo-Organisatoren ihre Informationen hatten, sagt: «Wir sind sehr erstaunt über die komplett neue Auskunft der Zollverwaltung.» Gerritsen verweist darauf, dass sich auch die Medien von «Kassensturz» bis «Tages-Anzeiger» in ihrer Berichterstattung auf diese Zahl stützten. Und fügt an: «Klar ist: Nach ihren eigenen Aussagen boomt die Pelzindustrie, und die vom europäischen Pelzverband Fur Europe ausgewiesenen Produktionszahlen sprechen eine deutliche Sprache.»