SonntagsBlick: Herr Naguib, sind wir Schweizer ein Volk von Rassisten?
Tarek Naguib: Nein. Aber wir sind alle von rassistischen Bildern geprägt, die unseren Alltag bestimmen. Tatsächlich werden Migranten auch in der Schweiz systematisch benachteiligt. Diskriminierungen kommen in allen Lebensbereichen vor, und zwar weitaus häufiger als gemeinhin angenommen.
Malen Sie da nicht ein etwas gar düsteres Szenario? Fakt ist doch: Körperliche Übergriffe sind in der Schweiz selten. In Deutschland hingegen brennen Asylunterkünfte, in Italien erschiessen Neonazis Dunkelhäutige.
Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu Gewalttaten. Oft manifestiert sich der Rassismus bei uns jedoch unterschwellig.
Wie?
Etwa bei Benachteiligungen im Bildungswesen, beim Bürgerrecht oder in Sozialdiensten. Diese institutionellen Formen von Rassismus sind zwar weniger offensichtlich, aber sehr stark verbreitet.
Sind wir also einfach die nettesten Rassisten der Welt?
Das würde ich so nicht sagen. Auch wenn sich der gewalttätige Rassismus in der Schweiz zurzeit vergleichsweise selten Bahn bricht.
Weshalb bleiben wir davon weitgehend verschont?
In der Schweiz fehlen zentrale Faktoren, die körperliche Übergriffe begünstigen: starke Armut, soziale Ausgrenzung, eine Segregation der Bevölkerung wie in den französischen Banlieues oder in gewissen Vierteln von US-Städten. Doch wir dürfen uns nicht blenden lassen: Das rassistische Gewaltpotenzial ist in der Schweiz genauso vorhanden. Und vergessen wir nicht: Eine Form von Gewalt liegt auch in der «Banalität» des unbewussten und strukturellen Rassismus. Etwa wenn einem Migrantenkind aufgrund versteckter Diskriminierungen in der Schule das Vertrauen in sich selbst genommen wird.
Gibt es einen Schweizer Rassismus?
In der Schweizer Bevölkerung herrscht die Vorstellung vor, dass Rassismus nur mit Vorurteilen zu tun hat und ein Problem von einigen wenigen Fremdenfeinden ist.
Dem würden Sie widersprechen?
Ja. Das ist ein viel zu enges Verständnis von Rassismus. Es hat auch rassistische Gründe, wenn Führungspositionen in der Politik oder in Redaktionen von Schweizer Medien überwiegend mit Nichtmigranten besetzt sind. In den USA oder in Grossbritannien etwa ist die Sensibilität für solche latente Diskriminierungsformen viel ausgeprägter.
Die Schweizer bemerken den Rassismus also gar nicht?
Wissen Sie, wir alle sind geprägt vom Mythos der Überlegenheit einer westeuro-päischen Kultur. Dieses jahrhundertealte Bild ist fest in uns verankert. Rassismus ist komplex. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Kommt es vor, dass Sie jemanden mit dunkler Hautfarbe fragen, woher er stammt?
Natürlich. Weil es mich interessiert. Aber deswegen bin ich doch kein Rassist!
Auch wenn Sie das nicht böse meinen: Die Frage wird vor allem jenen Menschen gestellt, die als Fremde wahrgenommen werden. Und das zeigt, dass wir unbewusst noch immer in den Stereotypen von «Schweizer» hier und «Ausländer» da denken. Das ist jetzt nicht direkt rassistisch und meistens harmlos. Problematisch wird dieses Denken aber dann, wenn es dazu führt, dass bestimmten Gruppen im Alltag weniger Rechte zugestanden werden.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Werden Übergriffe in der Schweiz weiter zunehmen?
Wir leben in einem politischen Klima, das Ressentiments befeuert. Nationalistische Logiken feiern ein Comeback. Das birgt natürlich die Gefahr, dass Übergriffe zunehmen. Es ergeben sich aber auch Chancen: Immer mehr Menschen begehren wieder gegen Rassismus auf.
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