Das meint SonntagsBlick zu Cybermobbing
Noch nie war es so einfach, jemanden zu beleidigen

Publiziert: 15.10.2017 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:20 Uhr
Opfer von Cybermobbing können vor der ganzen Welt blossgestellt werden. (Symbolbild)
Foto: Getty Images
Gieri Cavelty
Gieri Cavelty, Chefredaktor
Foto: Paul Seewer

Die digitale Welt steckt voller Wunder und Möglichkeiten. Einerseits. Anderseits ist sie grausam und voller Möglichkeiten. Noch nie war es so einfach, jemanden zu erniedrigen und zu beleidigen. Man kann seinen Frust nur mal so hinausposaunen, ohne dabei jemandem in die Augen schauen zu müssen – entsprechend tiefer liegt die Hemmschwelle.

Natürlich tobt nur eine Minderheit. Nicht einmal zehn Prozent der Facebook-Nutzer schreiben überhaupt Kommentare. Es ist jedoch wie bei der Schüssel mit den Chriesi: Eine einzige Schabe im Gefäss ruiniert den Appetit.

Im Internet mutieren unscheinbare Normalschweizer zu Gewalttätern. Reporter Fabian Eberhard schildert in der aktuellen Ausgabe von SonntagsBlick den Fall eines Stabsoffiziers, der auf Social Media übelsten rassistischen Unflat verbreitet. Von SonntagsBlick damit konfrontiert, gibt sich der Mann kleinlaut, will alles nicht so gemeint haben.

Ein typisches Beispiel. Die deutsche Politikerin Renate Künast hat einmal Menschen besucht, die sie zuvor im Netz verunglimpft hatten. Im persönlichen ­Gespräch wollte plötzlich ­niemand mehr etwas Böses gesagt haben. Auch hier: ­Alles nur ein Missverständnis.

Wenn aber schon Erwachsene derart entgleisen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich die entsetzlichsten Exzesse unter Jugendlichen abspielen. Die Kindheit ist seit je ein Paradies voller Schlangen und reissenden Wölfen hinter jedem Baum. Internet und soziale Medien erweitern die Gefahr um eine besonders heimtückische Variante. Opfer von Cybermobbing können vor der ganzen Welt blossgestellt werden, einmal veröffentlichte Inhalte immer wieder auftauchen.

Gefordert sind Lehrer und ­Eltern. Sie müssen sich über die Aktivitäten der Kinder ­update halten und diese für die Folgen von Cybermobbing sensibilisieren. Gefordert sind wir alle. Nicht einmal zehn Prozent der Facebook-Nutzer ­schreiben überhaupt Kommentare. Auf anderen Kanälen ist das User-Verhalten nicht wesentlich anders. Tatsächlich aber sollten auch die übrigen 90 Prozent aktiv werden und auch einmal schreiben:
Gehts noch? Oder: Stopp!

Social Media erfordert Zivilcourage. Einfach zusehen, wie jemand fertiggemacht wird – das geht nicht.

Und hoffen, dass vielleicht einmal Renate Künast ­vorbeischaut, ist auch keine ­Option.

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