Das Bundesgericht hat entschieden
Überwachung von IV-Rentnern ist illegal

Das Bundesgericht hat entschieden, dass Bezüger einer IV-Rente nicht systematisch observiert werden dürfen. Erlaubt sei dies nur in Fällen, wo das öffentliche Interesse deutlich überwiege.
Publiziert: 02.08.2017 um 12:00 Uhr
|
Aktualisiert: 09.10.2018 um 11:11 Uhr
Das Bundesgericht entschied, die Überwachung von IV-Bezügern sei grundsätzlich nicht erlaubt.
Foto: KEYSTONE/Martin Ruetschi

Ist der Nachbar nun tatsächlich IV-Rentner oder lügt er allen etwas vor? Oftmals gehen anonyme Anzeigen bei der Invalidenversicherung ein, die angebliche IV-Bezüger der Lüge bezichtigen. Bisher war nicht klar, ob in solch einer Situation tatsächlich ein Detektiv eingesetzt werden darf oder nicht. Das Bundesgericht hat nun entschieden: Nein. Nur in absoluten Ausnahmefällen, wo das öffentliche Interesse überwiege, dürften die bei der Observation erlangten Beweismittel verwertet werden.

Grundrechte des Privat- und Familienlebens verletzt

Die Diskussion war aufgekommen, weil die IV-Stelle des Kantons Zug den Bezüger einer IV-Rente im Jahr 2010 innerhalb von zwei Wochen an vier Tagen jeweils zwischen fünf und neun Stunden hatte überwachen lassen. Aufgrund der Observationsergebnisse wurde ein erneutes psychiatrisches Gutachten angeordnet.  Die IV-Stelle des Kantons Zug hob dann den Rentenanspruch des Betroffenen auf. Der Entscheid wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons bestätigt.

Eine solche Überwachung verletze aber das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Im Fall des Zuger IV-Bezügers wurden die durch die Observation gesammelten Daten dann doch als Beweismittel zugelassen. Begründung: es handle sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs sei auf jeden Fall grösser.

Bundesrat will Überwachung zulassen

Bereits im Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR festgehalten, dass die schweizerische Unfallversicherung nicht über eine ausreichende Gesetzesgrundlage für die verdeckte Überwachung verfügt. Dasselbe gilt nun auch für die IV.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat aufgrund des Entscheids der höchsten Richter bereits gehandelt und die IV-Stellen angewiesen, vorläufig keine Observationen mehr anzuordnen und laufende Überwachungen zu beenden, wie es im Communiqué heisst.

Doch die Gesetzeslücke soll rasch geschlossen werden. Der Bundesrat hat bereits im Februar 2017 entschieden, eine einheitliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Überwachungen wieder zu ermöglichen. Dies ist politisch unbestritten, weshalb das Gesetz bald in Kraft treten dürfte. «Dann werden die Observationen in der IV wieder aufgenommen», heisst es im Communiqué des Bundesamts für Sozialversicherungen weiter. (stj/nmz)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?