Zuerst eine freundliche Begrüssung, dann die nackten Brüste. Der erste Protest von Femen in der Schweiz beginnt genau so, wie man ihn sich hierzulande vorgestellt hat: Nett und sehr bescheiden.
Kurz nach 10 Uhr steht Nina Hacker vor der tunesischen Botschaft in Bern und brüllt «Free Amina». Einmal, zweimal, fünfmal. Dann dreht sie das Schild. Und schreit wieder und wieder.
Ein Botschaftsangestellter läuft lächelnd um sie herum. Ein anderer begrüsst sie peinlich berührt. Erst dann beendet zuerst ein tunesischer Sicherheitsangestellter und schliesslich zwei Berner Polizisten die elfminütige One-Woman-Show. Die 39-jährige muss die Personalien angeben, alles weitere geschieht auf dem Amtsweg.
Auch für Männer ausziehen
Begleitet wird Hacker von einer Mitstreiterin, die diskret und angezogen im Hintergrund bleibt. Damit wäre Femen Schweiz auch schon fast vollzählig. «Wir haben derzeit drei Mitglieder und vierzig Facebook-Fans», sagt Hacker. «Das war jetzt mal ein Anfang.»
Ihr schwebe eine ganz eidgenössische Variante der Protestorganisation vor «ohne militärischen Drill, ohne Ausbildungscamps, einfach friedlich.» Und: «Bei uns sind auch Männer willkommen. Ich würde mich auch für einen Mann ausziehen, wenn seine Rechte verletzt werden.»
Steinigung gefordert
Heute demonstrierte sie aber für eine Schülerin: Die 19-jährige Amina Taylor ist Gründerin von Femen Tunesien und veröffentlichte im März zwei oben-ohne-Fotos auf Facebook.
Seither sitzt sie im Gefängnis, der Regierung nahestehende Islamisten haben für die junge Frau gar die Todesstrafe durch Steinigung verlangt. «Wenn jemand so etwas fordern darf, nur weil jemand anderes seine Meinung ins Internet gestellt hat, dann darf ich mich auch ausziehen und hier protestieren», sagt Hacker.
Dann räumt sie auf, zieht sich an und fährt noch Hause. Sie habe noch viel zu tun heute, sagt die Künstlerin und Mitarbeiterin von mehreren Hilfsorganisationen. Und man lernt: Femen-Protest in der Schweiz, das passt exakt in die Znünipause.