Bloss raus hier! Beatrice Schütz, alleinerziehende Mutter von vier Kindern aus Roggwil BE, denkt nur noch an Flucht. Seit einem Jahr wohnt sie in einem Altbau gegenüber vom Bahnhof, fünfeinhalb Zimmer für 1500 Franken pro Monat, und sie ist sich sicher. «Ich wohne im schlimmsten Mietobjekt der Schweiz.»
Drei von fünf Zimmern ihrer Wohnung sind unbewohnbar, das Betreten fast lebensgefährlich. Denn in Schütz' Zuhause haben sich Abertausende Wespen eingenistet. Die Insekten fressen sich durch die Isolation und bevölkern das alte Gebälk. Sie sind überall, sichtbar an den Innenrahmen der Fenster, aber auch versteckt im Wäschekorb, Kleiderschrank und im Badezimmer. Andere Mieter im Haus haben ebenfalls Probleme wegen der Wespen – so etwa Nachbarin Heidi Peier, die Schütz und ihren Kindern beisteht.
Permanent dem Summen und Knabbern ausgesetzt
Die Wespen hinterlassen schmerzhafte Spuren. So sind Schütz' Arme übersät mit Stichen. «Gerade jetzt im Herbst sind sie wahnsinnig aggressiv, wenn immer es geht, versuche ich, nicht zu Hause zu sein», sagt sie. Die Mutter hat Angst um ihre Kinder. Weil die Insekten die Schlafzimmer erobert haben, schläft die Familie im Wohnzimmer. Sie teilen sich zu viert die Couch. Ohne Privatsphäre und permanent dem Summen und Knabbern der Wespen ausgesetzt.
Schütz befindet sich in einer verzwickten Lage. Aus rechtlicher Sicht könnte sie trotz Mietvertrag, der sie fünf Jahre an das Objekt bindet, ausziehen. Doch sie ist verschuldet. «Ich finde nicht so schnell eine neue Wohnung», sagt Schütz. Sogar die Kirchgemeinde im Ort hilft ihr bei der Suche nach einer Alternative. Bislang ohne Erfolg. «Manchmal denke ich, es wäre weniger gefährlich, auf der Strasse zu schlafen als in dieser Wespenhölle.»
Vermieter uneinsichtig
Im Moment könnte ihr nur ihr Vermieter helfen. Doch der 94-Jährige wolle kein Geld in die Hand nehmen, um der Plage fachmännisch Herr zu werden, so der Vorwurf von Schütz. Mit BLICK will der Vermieter nicht sprechen, schickt stattdessen seine Frau vor.
Die sagt: «Wespen tun einem nichts, wenn man nicht panisch herumfuchtelt.» Den Vorwurf, sie hätten nichts gegen die Wespen unternommen, weist sie zurück. «Das stimmt nicht, wir haben auch mal einem Schreiner gesagt, er solle sich das mal anschauen.» Und sowieso: «Die anderen Mieter haben jeweils die Wespen bekämpft und nicht so schwierig getan wie Frau Schütz, ich weiss auch nicht, was mit ihr los ist.»
Was mit ihr los sei? Schütz kommen die Tränen. «Einmal, da fing mein zweijähriger Sohn mitten in der Nacht an zu schreien. Eine Wespe hatte sich unter sein Pyjama verkrochen und stach immer wieder zu – ich fühle mich schuldig, dass ich meinen Kindern kein sicheres Zuhause bieten kann», sagt sie.
Gegendarstellung
Zum Bericht «Meine Wohnung ist eine Wespenhölle», erschienen am 16. Oktober 2017, legt die Vermieterin Informis AG Wert auf folgende Gegendarstellung: «Zu keinem Zeitpunkt wurde der Mieterin gegenüber erwähnt, dass die Vermieterin nichts tunund keine Kosten übernehmen wolle, wie das im Blick-Artikel fälschlicherweise erwähnt wird. Im Gegenteil lag schon am folgenden Werktag die Zusicherung der Kostenübernahme durchdie Gebäudeversicherung des Kantons Bern vor. Nachdem am Freitag, 6. Oktober 2017, die Feuerwehr Roggwil zur Beseitigung von Wespennestern ausgerückt ist, hat die Vermieterschaft nachweislich sofort, sowohl am Wochenende wie zu Wochenanfang, mehrfach Schritte unternommen, um die Mieterin zu unterstützen und um die Wespenplage nachhaltig in Griff zu kriegen. Dazu gehört auch der Beizug einer Spezialfirma zur Schädlingsbekämpfung.» Informis AG4914 Roggwil
Das Haus von Wespen verseucht – was hat Bea Schütz für Rechte? Ruedi Spöndli, Rechtsexperte des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes, bezeichnet ihre Situation als prekär. «Es scheint sich um einen besonders schweren Mangel am Mietobjekt zu handeln», sagt Spöndli. Sein Rat: «Sie kann beispielsweise Druck aufbauen, indem sie den Mietzins nicht mehr dem Mieter zahlt, sondern bei der Schlichtungsstelle hinterlegt.» Dies so lange, bis der Vermieter das Wespenproblem gelöst hat. «Ebenfalls wird sie ihre Wohnung wohl fristlos kündigen dürfen.» Wenn nämlich der Vermieter keine Anstalten macht, das Wespenproblem zu lösen, hat Schütz kaum Chancen, diese Wohnung einem Nachmieter schmackhaft zu machen. (fr)
Das Haus von Wespen verseucht – was hat Bea Schütz für Rechte? Ruedi Spöndli, Rechtsexperte des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes, bezeichnet ihre Situation als prekär. «Es scheint sich um einen besonders schweren Mangel am Mietobjekt zu handeln», sagt Spöndli. Sein Rat: «Sie kann beispielsweise Druck aufbauen, indem sie den Mietzins nicht mehr dem Mieter zahlt, sondern bei der Schlichtungsstelle hinterlegt.» Dies so lange, bis der Vermieter das Wespenproblem gelöst hat. «Ebenfalls wird sie ihre Wohnung wohl fristlos kündigen dürfen.» Wenn nämlich der Vermieter keine Anstalten macht, das Wespenproblem zu lösen, hat Schütz kaum Chancen, diese Wohnung einem Nachmieter schmackhaft zu machen. (fr)