Waffenbörse Luzern: Auch für Ramona Bregenzer ein Muss
«Alle Schweizer sollten sich bewaffnen»

In Luzern findet an diesem Wochenende die Waffenbörse statt. Manche Besucher warnen vor Krieg, andere vor Einbrechern. In unsicheren Zeiten wähnen sich alle.
Publiziert: 25.03.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:55 Uhr
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Ramona Bregenzer (37) zeigt eine Kalaschnikow. Die Lastwagenchauffeuse ist oft im Schiessstand anzutreffen. Die Schützin aus Wohlen bei Bern sagt: «Jede Putzfrau und jedes Kindermädchen sollte bewaffnet sein!»
Foto: Sabine Wunderlin
«Die Leute kaufen Waffen, weil sie Angst haben»
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BLICK an der Waffenbörse:«Die Leute kaufen Waffen, weil sie Angst haben»
Aline Wüst (Text) und Sabine Wunderlin (Fotos)

Drinnen warten die Waffen, draussen die Männer. Um zehn Uhr gehen die Türen auf: Die Luzerner Waffenbörse ist eröffnet. Hier gibt es alles. Auch Energydrinks, die 9MM heissen, und ein pinkes Maschinengewehr namens Muddy Girl – schlammiges Mädchen.

Bloss Frauen gibt es kaum. Ramona Bregenzer (37) aus Wohlen bei Bern kommt deshalb gleich zur Sache: «Jede Putzfrau und jedes Kindermädchen sollten bewaffnet sein!» Sicher sei es heute nirgends mehr. Sie spreche aus Erfahrung. Bregenzer träumt von einer Schweiz nach texanischem Vorbild: «Betrittst du ungefragt ein fremdes Grundstück, schaust du in einen Gewehrlauf.»

Die Lastwagenchauffeuse spricht laut und wiederholt gerne, was sie bereits gesagt hat: Die Schweiz wäre sicherer, wenn alle bewaffnet wären – das sei gar keine Frage.

Begriff «Waffennarr» ist verpönt

Die Besucher der Waffenbörse hassen es, Waffennarren genannt zu werden. Lieber reden sie über Präzision im Schützensport, über Demokratie und Freiheit oder das verschärfte EU-Waffenrecht, das die Schweiz als Schengen-Mitglied bald übernehmen muss: «bireweiche Seich».

Ein beliebtes Thema sind auch Einbrecher. Gesehen haben noch die wenigsten einen. Auch Fred Brand (79) aus Langenthal BE nicht: Kamen sie doch, als er nicht zu Hause war. Mitgenommen haben sie neben dem Schmuck allerdings auch seine Waffen.

Polizei warnt vor Selbstjustiz

Am Stand der Kantonspolizei Luzern erklärt der Sicherheitsbeauftragte Claude Gnods (64) einem Mann mit kurz gestutztem Schnauz, warum es besser wäre, im Ernstfall nicht auf den Einbrecher zu schiessen.

Der junge Mann daneben ist enttäuscht, weil er keinen Waffenerwerbsschein bekommt. Auf seiner Einkaufsliste stehen: Pistole, Gewehr und Schrotflinte. Andere Besucher dürfen kaufen. Die Pistole kommt ins Plastiksäckli. «Merci, bonne journée», wird ein welscher Kunde verabschiedet. Ohne Schein gibts bloss Pfefferspray. Neuerdings auch in Pistolenform mit vier Patronen. Funktioniert bis zu sieben Meter gegen den Wind.

100 Jahre altes Sackmesser für Sammler

René Krattiger (66), gelernter Metzger wie auch Dorfpolizist und Sackmessersammler aus Ins BE, hat soeben ein über 100 Jahre altes Armeemesser erstanden. Mit dem Spezialgerät an seinem Gurt könnte er bei einem Autounfall auch eine Scheibe einschlagen und ein Loch ins Glas schneiden, sagt er. Das Messer leuchtet im Dunkeln sogar.

Krattiger ist es wichtig festzuhalten, dass viele Messebesucher Sammler sind. Leute, die einfach Freude an schönen, antiken Waffen hätten. Das gehe oft vergessen.

Freude an Waffen haben derzeit viele. Die Nachfrage nach Waffenerwerbsscheinen steigt. Das beflügelt auch den staatlichen Rüstungskonzern Ruag: 1,9 Milliarden Franken Umsatz erzielte er letztes Jahr. Grund dafür seien vor allem Privatpersonen, die sich mit Munition eindecken.

Putin-Tassen und Murmelifett-Öl

Wer keine Waffe kaufen will, findet an den 110 Messeständen auch Wolfsfell, Murmelifett-Massageöl oder Putin-Kaffeetassen. Am Stand von Oliver Riesen (42) und Roman Schmid (42) gibt es auch kugelsichere Westen und Gasmasken. Sie sagen: «Sämtliche Polizeieinheiten in Europa sind am Aufrüsten. Unsicherheit macht sich breit.»

Verkauften die beiden bisher nur an Behörden und Militär, spüren sie nun die steigende Nachfrage bei Privatpersonen – vor allem nach Gasmasken. Deshalb sind sie auch zum ersten Mal an der Waffenbörse mit dabei.

Die eigene Waffe hergeben? Um keinen Preis

Im Restaurant besteht das Messe-Menü aus Schweinssteak (200 Gramm) mit Pfefferrahmsauce, Pommes frites und Ofengemüse. Es ist beliebt. Auch der Verkäufer mit der roten Krawatte hat das Steak gegessen. Nun steht er wieder am Stand hinter dem Multikaliber-Repetiergewehr SX-1 MTR. Die Männer vor dem Stand wiegen es abwechselnd einen Moment in den Händen.

Auch der Mann mit dem Plastiksack steht da. Rüfenacht heisse er. Mehr will er nicht sagen. Das Geld für die SX-1 MTR hat er nicht. Rund 6000 Euro kostet sie. Bloss Waffenfett habe er heute gekauft.

Seine eigene Waffe hergeben würde er um keinen Preis der Welt. Rüfenacht schimpft über den Bundesrat, klagt über Täter- statt Opferschutz und wechselt abrupt das Thema: «Ich fühle mich überhaupt nicht mehr daheim in der Schweiz.»  Alles sei verbaut und zubetoniert, alles drehe sich nur noch ums Geld. «Wir haben alles und sind nicht glücklich.»

Rüfenacht geht weiter, schaut sich die Waffen vom nächsten Stand an. In seiner Hand der Plastiksack mit dem Waffenfett.

«Ein Krieg wird vorbereitet»

Xaver Gasser (32) aus Ehrendingen AG hat sich die Weiterentwicklung des amerikanischen Sturmgewehrs gekauft, das damals im Vietnamkrieg eingeführt wurde. 3000 Franken hat es gekostet. «Wahnsinnig filigran», sagt Gasser und streicht über den Lauf. Der Sportschütze findet, dass wir in einer komplizierten Welt leben. «Alles wird verharmlost.»

Er spricht über den Krim-Konflikt, über Syrien und Truppen, die überall stationiert würden. Es sind Themen, die ihn stark beschäftigen. Gasser ist überzeugt: «Es wird ein Krieg vorbereitet.» Der bewaffnete, selbständige Bürger sei darum das Wichtigste. Wer sonst schütze Frauen und Kinder?

In der Halle 4 wird das Bier aus Plastikbechern getrunken. Der Weisswein auch. 791'719 legale Waffen befanden sich bisher in Schweizer Haushalten. Nun sind es noch ein paar mehr. 

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