Völkerrechtler zu Erdogans Referendums-Plänen
Schweiz soll Abstimmung über Todesstrafe verbieten

Die Schweiz solle hierzulande ein allfälliges Todesstrafe-Referendum der Türkei unterbinden, findet Völkerrechtler Rainer J. Schweizer.
Publiziert: 10.05.2017 um 15:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:27 Uhr
Der türkische Präsident will die Todesstrafe wieder einführen.
Foto: AP
Ruedi Studer

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan liebäugelt mit einem Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Für die deutsche Regierung kommt eine solche Volksabstimmung auf ihrem Territorium nicht in Frage.

Setzt Erdogan das Referendum in die Tat um, stellt sich auch für die Schweiz die Verbotsfrage. Rainer J. Schweizer, emeritierter Professor für öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht der Universität St. Gallen, plädiert im BLICK-Interview für ein solches Verbot.

Herr Schweizer, für die deutsche Regierung kommt ein Todesstrafe-Referendum nicht in Frage. Könnte auch die Schweiz ein solches Referendum verbieten?
Rainer J. Schweizer: Es steht ausser Frage, dass das Vorhaben eines ausländischen Staates, Wahlen oder Abstimmungen bei seinen Staatsangehörigen in der Schweiz durchzuführen, ein hoheitliches Handeln des ausländischen Staates ist. Dieses darf grundsätzlich nur mit Zustimmung der Schweiz aufgrund ihrer Territorialhoheit und Souveränität ausgeführt werden.

Sollte die Schweiz dieses Referendum unterbinden?
Ich meine Ja, denn die Schweiz setzt sich weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe ein und will nicht mithelfen, diese jetzt einzuführen. Man hätte sich übrigens schon beim Verfassungsreferendum im April fragen können, ja müssen, ob man die Abstimmung nicht untersagen sollte. Immerhin war es ja eine Abstimmung zur völligen Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei, somit zum Umbau der türkischen Demokratie in eine Diktatur des Führers der AKP.

Ist ein solches Verbot nicht undemokratisch?
Nein. Wenn Erdogan über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei abstimmen lassen will, so würde er auf jeden Fall gegen die fundamentalen Grundlagen der Verfassungen aller Staaten des Europarats und der Verträge über den Europarat, wie auch gegen die Grundverträge der Europäischen Union verstossen. Ich finde es richtig, dass jetzt in verschiedenen europäischen Ländern darüber diskutiert wird, ob eine solche Abstimmung nicht untersagt werden muss.

Mit dem Verbot als Diskussionsresultat.
Es geht darum, dass wir nicht Beihilfe zu einem ausländischen Verfassungsumbau leisten wollen, der den Kern sowohl von unseren Verfassungs- und Demokratievorstellungen wie auch von unseren völkerrechtlichen Menschenrechtspflichten verletzt.

Ein Verbot würde die Beziehungen zwischen der Türkei und der Schweiz aber weiter verschlechtern.
Die Schweiz wird in dieser Frage sicher keinen Alleingang unternehmen, sondern sich mit anderen Staaten des Europarats und mit dessen Ministerrat absprechen. Im Augenblick seitens der Bundesbehörden über die Sache zu mutmassen, macht keinen Sinn. 

Selbst wenn die Durchführung in der Schweiz verboten wird, lässt es sich anderweitig umgehen?
Die Türkinnen und Türken in der Schweiz, die von einem solchen «Veranstaltungsverbot» betroffen wären, könnten – sofern das von der Türkei organisiert wird – ihre Stimme brieflich abgeben oder in der Türkei selbst abstimmen. Das liesse sich nicht verhindern.

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