Mehrere Redner wandten sich an die rund 200 Personen, die auf dem Bundesplatz in Bern für ein unabhängiges Katalonien demonstrierten.
Foto: Keystone/PETER KLAUNZER

Vertrauliche Botschafts-Rapporte zeigen
Spanien bespitzelt Katalanen in der Schweiz

Madrids Botschaft in Bern meldet die Aktivitäten von Unabhängigkeits­befürwortern ans spanische Aussenministerium. Auch Nationalräte hat sie im Visier. Das zeigen vertrauliche Dokumente, die dem SonntagsBlick vorliegen.
Publiziert: 11.08.2019 um 00:36 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
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Katalanische Aktivisten in Bern: Madrids Botschaft in der Schweiz meldet deren Aktivitäten ans spanische Aussenministerium.
Foto: AP
Fabian Eberhard

Der Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Hinter den Kulissen tobt er weiter – auch hierzulande.

SonntagsBlick liegen vertrauliche Rapporte der spanischen Botschaft in Bern und des spanischen Konsulats in Genf vor. Die Geheimpapiere zeigen: Madrid hat Beobachter auf katalanische Aktivisten in der Schweiz angesetzt. Sie sammeln Informationen über deren Aktivitäten und leiten diese an das spanische Aussenministerium weiter. Mehr noch: Um die Bespitzelung auszudehnen, hat die Botschaft in Bern in Madrid um Unterstützung durch Agenten des spanischen Geheimdienstes gebeten.

Die Rapporte stammen aus den Jahren 2018 und 2019. Sie erstatten Bericht über angebliche Separationspropaganda in der Schweiz, beispielsweise über Podien zur Katalonien-Frage oder Besuche von katalanischen Politikern.

Beschreibung von harmlosen Anlässen

Ein Dorn im Auge ist den Spa­niern vor allem die katalanische Auslandsvertretung in Genf, ein unscheinbares Büro gleich neben dem Bahnhof. Gemäss den Rapporten ist sie eine Zentrale der Separatisten und untergräbt die Interessen des spanischen Staats. Per Gerichtsprozess versuchte Madrid deshalb die Schliessung des Büros zu erzwingen – ohne Erfolg.

Illegale Aktivitäten konnten die Beobachter bisher nicht dokumentieren. Ihre Rapporte erschöpfen sich meist in Beschreibungen von harmlosen Anlässen. So wie in einem Bericht vom 14. März 2019: Da wird das Aussenministerium in Madrid vier Seiten lang über eine Podiumsdiskussion zur Katalonienfrage am Tag zuvor informiert. Die Beobachter listen auf, wer an jenem Anlass während der Session des Uno-Menschenrechtsrats in Genf teilgenommen und wer sich wie geäussert hat. Auch Fotos davon wurden nach Madrid gekabelt.

Im Visier der Botschaft sind auch Schweizer Politiker, allen voran der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard (31). Er präsidiert die parlamentarische Freundschaftsgruppe Schweiz- Katalonien, deren Gründung laut einem der Rapporte «eine der auffälligsten Aktionen zur Förderung der separatistischen Agenda in der Schweiz» gewesen sei.

Unterstützung vom Geheimdienst

Reynard taucht denn auch gleich in mehreren Berichten auf. Anlässlich eines Besuchs des katalanischen Vizepräsidenten Josep Costa (43) in Bern teilten die Beobachter Madrid ihre Bedenken mit. Es sei zu hoffen, dass Costa nicht ins Schweizer Parlament eingeladen werde, denn man erinnere sich an ein früheres Treffen von katalanischen Abgeordneten mit Reynard im September 2018, als sich der SP-Nationalrat von Separatisten habe «manipulieren» lassen und ein gemeinsames Foto auf der Treppe des Bundeshauses aufnahm.

Ein Grossteil der Informationen in den Rapporten stammt aus öffentlich zugänglichen Quellen. Dies reichte den Botschaftsangestellten aber bald nicht mehr. In einem Schreiben vom 25. September 2018 forderten sie beim spanischen Aussenministerium Unterstützung an – vom Geheimdienst.

Aufgrund der beschränkten Ressourcen und der Wichtigkeit des internationalen Standorts Genf wäre es laut den Beobachtern hilfreich, einen Agenten des «Centro Nacional de Inteligencia (CNI)», dem spanischen Nachrichtendienst, in Genf abzustellen. Dies auch, weil die Informationssammlung über offi­zielle Kanäle an ihre Grenze stosse.

Wortkarge spanische Botschaft

Ob Madrid dieser Bitte nachkam, ist nicht klar. Ein Blick nach Deutschland lässt allerdings vermuten, dass es vor elektronischen Überwachungsmassnahmen im Ausland nicht zurückschreckt. Laut dem deutschen Onlinemagazin «Telepolis» fingen die Spanier in Berlin mutmasslich E-Mails von katalanenfreundlichen Politikern ab.

Auf Anfrage von SonntagsBlick gibt sich die spanische Botschaft in Bern wortkarg. Konfrontiert mit den Recherchen teilt sie lediglich mit: «Wir können Ihnen versichern, dass diese Botschaft sich bei ihrer Arbeit stets im Rahmen des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen bewegt.» Diplomatensprech für: Wir halten uns an internationale Standards. Das lässt Interpretationsspielraum – Spionageaktionen sind völkerrechtlich nicht geregelt.

Etwas konkreter wird das spanische Aussenministerium: «Es ist Teil unserer Aufgabe, Aktivitäten, die das Ansehen Spaniens untergraben, eng zu überwachen.» Dazu gehörten alle, die das Unabhängigkeitsprojekt der katalanischen Regierung vorantreiben.

Für den katalanischen Aussen­beauftragten Alfred Bosch (58) ist klar: «Wir haben es mit einem Fall von Spionage zu tun. Das ist ein demokratischer Skandal.» Verantwortlich dafür sei der sozialistische spanische Aussenminister Josep Borrell (72). Er habe die Spähak­tionen angeordnet.

Ausgerechnet jener Josep Borrell also, der letzte Woche zum EU-Chefdiplomaten ernannt wurde. Er ist selber Katalane – und zugleich einer der härtesten Gegner der Autonomiebestrebungen seiner Heimat.

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