Für die Berggemeinden wäre es eine finanzielle Katastrophe: Nach Plänen des Verbands der Elektrizitätsunternehmen sollen die jährlich ausbezahlten Wasserzinsen um zwei Drittel gekürzt werden. Die Summen sind gewaltig: Insgesamt 550 Millionen Franken gehen als Abgeltung für Stauseen und Wasserkraftwerke an die Bergkantone.
Energieministerin Doris Leuthard (54, CVP) signalisierte bereits, dass man den Stromkonzernen entgegenkommen will. Die verbuchten in den letzten Jahren nur noch rote Zahlen. Bis August will der Bundesrat seine Pläne zur Wasserzinsreform vorstellen.
Panik bei den Berggemeinden
Höher gelegene Regionen reagieren mit Panik: «Es gibt Berggemeinden, in denen der Anteil der Wasserzinsen an den Einnahmen bis zu 40 Prozent ausmacht», sagt Gilbert Truffer (49) aus dem Wasserkraftbezirk Visp VS. Der Walliser SP-Grossrat engagiert sich in einer neu gegründeten Gemeinde-Allianz zur Verteidigung der Wasserzinsen, die morgen in Chur ihre Pläne der Öffentlichkeit vorstellt.
Dort wollen die Berggemeinden darlegen, dass die Wasserkraft nach wie vor Millionen in die Kassen der Stromkonzerne spült und dies auch in Zukunft tun wird – aber auch aufzeigen, weshalb den Elektrizitätsunternehmen das Wasser bis zum Hals steht.
Support erhalten die Berggemeinden vom früheren Basler SP-Nationalrat Ruedi Rechsteiner (58). Er hat für sie die Situation der Stromkonzerne analysiert. Sein Fazit: «Die Wasserkraft ist nicht unrentabel, wenn man alle Erträge berücksichtigt.»
Die angeblichen Probleme der Wasserkraft seien von den Stromkonzernen nur vorgeschoben: «Das wahre Problem sind die Verluste mit Atomstrom, Fehlinvestitionen in fossile Kraftwerke im Ausland und zu hohe Gewinnausschüttungen.»
Die Berggemeinden wehren sich dagegen, dass man diese Notlage nun auf ihre Kosten beheben will. Der Jurist Not Carl (68) war 15 Jahre lang Gemeindepräsident des Unterengadiner Dorfs Scuol. Heute vertritt er den Verband der Bündner Konzessionsgemeinden. Die Pläne der Stromkonzerne bezeichnet er als unverkraftbaren Aderlass: «Für das Unterengadin wäre es gleichbedeutend, wie wenn plötzlich 1200 Menschen unsere Region verlassen würden – eine Katastrophe!»
Nicht die Lebensgrundlage entziehen
Carl steht mit Gemeindevertretern im Tessin, in Uri und im Wallis in Kontakt. «Die Steuerzahler im Unterland unterstützen die Bergregionen in verschiedenen Bereichen mit viel Geld – es macht ja keinen Sinn, wenn nun auf der anderen Seite die Politik mit einem unverständlichen Entscheid vielen Bergregionen quasi über Nacht die Lebensgrundlage entzieht.»
Der Stromkonzern Axpo hält eine Flexibilisierung des Wasserzinses für sinnvoll, wie sein Sprecher Ueli Walther sagt. Aber: «Letztendlich ist es Sache der Politik, das künftige Modell der Wasserzinsen festzulegen.»