Seit letztem Sommer ist die rot-grüne Ära im Kanton Bern zu Ende. Damals hatte der SVP-Mann Pierre Alain Schnegg die Nachfolge von Philippe Perrenoud (SP) angetreten. Jetzt macht der bürgerliche Regierungsrat Nägel mit Köpfen.
Drastische Kürzungen bei der Sozialhilfe
Zuallererst nimmt Schnegg die Sozialhilfe ins Visier. Er will die Leistungen im Kanton deutlich kürzen: Generell wird der Grundbedarf 10 Prozent unter den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) angesetzt. Dabei hatte sich die Skos gerade erst auf neue Regeln geeinigt, die bereits Verschärfungen enthalten.
Bei jungen Erwachsenen und bestimmten Ausländergruppen will Schnegg die Schraube sogar noch mehr anziehen: Für diese Gruppen sieht sein Gesetzesprojekt Kürzungen bis zu 30 Prozent vor. Mit diesen Massnahmen will der SVP-Regierungsrat 15 bis 25 Millionen Franken einsparen.
Unsolidarischer Nehmerkanton
In Bern sind die Reaktionen auf Schneggs Pläne kontrovers. Nun melden sich auch Politiker aus anderen Kantonen zu Wort. «Schäbig» findet die Pläne die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz. «Der Kanton Bern erhält jedes Jahr 1,3 Milliarden Franken aus dem nationalen Finanzausgleich», ärgert sich die Finanzpolitikerin. Als grösster Nehmerkanton verlasse sich Bern auf die Solidarität der starken Geberkantone, zu denen auch Basel gehört. «Doch bei seinen eigenen Ärmsten hält Bern offenbar nichts von Solidarität.»
Fetz fürchtet, dass Berns Beispiel Schule machen könnte. «Es ist wie beim Steuerwettbewerb: «Wenn ein Kanton Dumpingsteuern einführt, dann kommen alle anderen unter Druck, nachzuziehen.» Das ist tatsächlich der Fall: So hat der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf Schneggs Pläne in der NZZ ausdrücklich begrüsst.
«Bern fördert Sozialhilfe-Tourismus»
Kritik wird auch im Geberkanton Zürich laut. «Das Vorgehen des Berner Regierungsrats ist beschämend», sagt SP-Nationalrätin Min Li Marti. Zumal der Kanton damit den mühsam erarbeiteten Kompromiss der Skos in Frage stelle. «Wie der Finanzausgleich sind auch die Skos-Richtlinien Ausdruck eines freundeidgenössischen Ausgleichs», der dafür sorge, dass die Schwächsten neue Chancen erhielten – sowohl als Kantone wie als Einzelpersonen. «Hier wird ein negativer Sozialhilfe-Tourismus gefördert», befürchtet Marti.