Pro-Tell-Vize zu Kritik an Cassis-Mitgliedschaft
Haben Sie jetzt einen verlängerten Arm im Bundesrat?

Kurz vor den Bundesratswahlen ist Ignazio Cassis der Organisation Pro Tell beigetreten, die mit allen Mitteln gegen eine Verschärfung des Waffenrechts kämpft. Pro-Tell-Vize und SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (53) spricht im Interview über die Mitgliedschaft des Bald-Bundesrats.
Publiziert: 14.10.2017 um 17:11 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:36 Uhr
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SVP-Nationalrat und Vize-Präsident von Pro Tell Jean-Luc Addor spricht im Interview über die Mitgliedschaft von Ignazio Cassis bei der Lobby-Organisation.
Foto: PETER GERBER
Vinzenz Greiner

Ein Vereinsbeitritt, der Zündstoff birgt: Am 11. September, kurz vor seiner Wahl in die Landesregierung, ist Ignazio Cassis der Organisation Pro Tell beigetreten (BLICK berichtete). Dies, nachdem er von den Waffenlobbyisten – wie die anderen Kandidaten auch – einen Fragebogen zugeschickt bekommen hatte.

Pro Tell schiesst derzeit aus allen Rohren gegen die Anpassung des Schweizer Waffenrechts an die EU-Richtlinien. Im Rahmen des Schengen-Abkommens ist die Schweiz jedoch verpflichtet, diese zu übernehmen. Pro Tell hat schon ein Referendum angekündigt, für den Fall, dass der bundesrätliche Vorschlag für eine Umsetzung auch nur zu geringfügigen Verschärfungen des Waffengesetzes führen würde. Dass damit sogar die Schengen-Mitgliedschaft auf dem Spiel steht, kümmert die Waffen-Fans explizit wenig.

Eine heikle Affäre also für Pro-Tell- und Bundesrats-Neumitglied Ignazio Cassis, der als designierter Aussenminister für die Beziehungen mit der EU zuständig sein wird.

Den Fragebogen an Bundesratskandidat Ignazio Cassis hat der Vizepräsident von Pro Tell, SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor, mit initiiert. Der Walliser gibt sich im Interview höchst zufrieden mit dem prominenten Neu-Mitglied seiner Organisation.

BLICK: Herr Addor, Iganzio Cassis ist am 11. September Pro Tell beigetreten. Das hatte er zuvor in einem Fragebogen von Pro Tell angekündigt. Warum der Fragebogen?
Jean-Luc Addor: Die Entscheidung fiel im Komitee von Pro Tell. Wir wussten, dass die Waffengesetzgebung wieder aufs Tapet kommt und dass der Bundesrat mit seinem neuen Mitglied eine entsprechende Vorlage nach der Konsultation ausarbeiten wird. Da wollten wir wissen, welche Haltung die damaligen Kandidaten zur Thematik haben.

Auf der Website von Pro Tell sind aber nur die Antworten von Herrn Cassis und Pierre Maudet aufgeschaltet. Warum?
Wir hatten den Fragebogen an alle drei Kandidaten geschickt. Frau Moret hat nicht geantwortet. Wir wollen diesen Fragebogen nach dieser Erfahrung auch bei künftigen Kantonalwahlen verschicken.

Als Aussenminister ist Herr Cassis dann auch für die Mitgliedschaft im Schengenraum zuständig – und genau die Rechte des Schengenraums sollen ja das Schweizer Waffengesetz verschärfen. Ihr Glück: Sie haben jetzt einen verlängerten Arm im Bundesrat!
Cassis ist kein Mann von Pro Tell! Wir geben ihm keine Anweisungen und Befehle. Cassis will einfach für die Freiheit kämpfen.

Und wohl für ihr Anliegen, das Waffengesetz nicht zu verschärfen...
Wir sind keine Lobbyorganisation für Waffen. Waffen sind ja nur ein Ding wie etwa Modellflugzeuge. Es geht um das, was dahinter steht: Tradition, Recht und Freiheit. Es ist die Rolle unserer Organisation, dies zu verteidigen.

Der Unterschied ist halt, dass Modellflugzeuge nicht töten.
Töten tun die Menschen, die den Abzug betätigen. Man muss hier den Fokus auf den Menschen und nicht auf die Waffe lenken. Der Vergleich mit den USA zeigt: Wir Schweizer können mit Waffen umgehen.

Manche Leute haben Mühe damit, dass nun ein Pro-Tell-Mitglied Aussenminister sein wird. Kritik wird laut, Cassis müsse austreten. Verstehen Sie das?
Das sind Leute, die gegen die freie Schweiz ankämpfen. Wir sind keine bizarre, obskure Organisation, sondern stehen für diese Freiheit ein. Aber es war klar, dass seine Mitgliedschaft auf Kritik stossen würde. Schliesslich bringt politisches Engagement immer Kritik mit sich. Wir sind froh und stolz, dass Ignazio Cassis den Mut aufbringt, für seine Überzeugungen einzustehen. Er ist ja übrigens schon lange Mitglied des Tessiner Vereins «libertà e valori», der ähnliche Ziele wie wir verfolgt. 

Ignazio Cassis wischt die Kritik nicht einfach so weg wie Sie, sondern krebst etwas zurück. In der «Luzerner Zeitung» war zu lesen, dass er seine Vereinsmitgliedschaften nun überprüft. Auch die bei Pro Tell?
Wir haben keine Signale von Cassis bekommen, dass er wieder austreten möchte.

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