Jedes Jahr gibt es weniger Bauernhöfe
Wie viele Bauern braucht die Schweiz?

Über tausend Bauernhöfe verschwanden im letzten Jahr. Tendenz weiter sinkend. Ist das bedauernswert oder im Gegenteil: Sogar gut für die Schweiz? Eine hitzige Debatte ist entbrannt.
Publiziert: 14.08.2012 um 18:14 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:46 Uhr
Von Peter Brühwiler, Karin Müller und Christof Vuille

Im Raum, in dem die nationalrätliche Wirtschaftskommission tagt, dürfte dicke Luft herrschen. Das vorberatende Gremium diskutiert die Agrarreform 2014-2017, für welche Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) für die vier Jahre knapp 14 Milliarden Franken ausgeben will. 133 Anträge wurden dazu eingereicht.

Fakt ist: In der Schweiz gibt es immer weniger Bauernhöfe. 57‘000 waren es Ende 2011, das sind 1400 weniger als ein Jahr zuvor. Tendenz weiter sinkend. Wie ist diese Entwicklung zu beurteilen?

Der Präsident des Bauernverbands, Hansjörg Walter (SVP), wünscht sich einen höheren Selbstversorgungsgrad in der Schweiz. Dieser sagt aus, wie viel Prozent der benötigten Produkte im Inland hergestellt werden.

In der Schweiz liegt der Wert bei etwa 54 Prozent. Der Nationalratspräsident möchte ihn auf 60 Prozent anheben, sagt aber auch: «Die Zahl der Bauernhöfe wird sich bei 50'000 einpendeln.» Seine Branche brauche das Geld dringend, sagt er.

Bodenmann: 20'000 Betriebe sind genug

Viel zu viele Bauern gibt es hingegen aus Sicht des ehemaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann (siehe Interview): «20'000 Betriebe reichen aus. Wie viele Bauern es am Schluss sein werden, soll der Markt entscheiden, nicht die Politik.»

Mittepolitiker wollen hohen Selbstversorgungsgrad

Auch in der politischen Mitte finden sich etliche bäuerliche Nationalräte. Sie alle betonen, dass der Selbstversorgungsgrad zumindest beibehalten werden sollte.

BDP-Fraktionschef Hansjörg Hassler etwa befürchtet weltweit Ernährungsengpässe: «Die Bevölkerung wächst weltweit rasant, die Anbauflächen für Nahrungsmittel aber können nicht ausgedehnt werden, im Gegenteil.» Deshalb sei jedes Land gut beraten, einen hohen Wert anzustreben, um besser für Krisenzeiten gerüstet zu sein.

Doch lässt sich der Grad der Selbstversorgung aufrechterhalten? Ja, glaubt FDP-Nationalrat Walter Müller. Die meisten jungen Bauern, denen er begegne, würden gerne «wachsen», also grössere Betriebe führen und somit die Produktivität steigern. Doch der St. Galler warnt: «Gut zusammenarbeitende Familienbetriebe sind die richtige Lösung, die Landwirtschaft sollte nicht zu einer Industrie verkommen.»

Stichtag 1. Januar 2014

Die Landwirtschaftsthematik wird die Schweiz in den nächsten Monaten weiter in Atem halten. Noch ist das Geschäft erst in der vorberatenden Kommission, danach kommt das Monster-Geschäft in den Nationalrat.

Das ambitionierte Ziel von Bundesrat Schneider-Ammann: Am 1. Januar 2014 sollen seine Agrarvisionen Gesetz sein.

Peter Bodenmann: «20'000 Betriebe reichen aus»

Herr Bodenmann, gehen die Reformpläne von Bundesrat Schneider-Ammann in die richtige Richtung? 

Pro Haushalt bezahlen Ihre Leser – verglichen mit Österreich – 3'000 Franken zu viel für landwirtschaftliche Produkte. Die hohen Preise und Zölle bestrafen Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen. Im Tirol ist die Landschaft besser gepflegt als in der Schweiz, die Bauern sind beweglicher und glücklicher. Schneider-Ammann ist leider zu wenig mutig.

 

Das heisst, es gibt zu viele Bauern in der Schweiz?

Wir haben eine Million Hektar in der Schweiz. Diese müssen endlich ­effizient und umweltfreundlich bewirtschaftet werden. 4000 Franken Direktzahlungen im Durchschnitt sind genug. Das gibt für einen 50-Hektar-Betrieb 200'000 Franken pro Jahr. Nicht schlecht. 20'000 Betriebe reichen aus. Wie viele Bauern es am Schluss sein werden, soll der Markt entscheiden, nicht die Politik.

 

Was wären die Folgen, wenn es so viele Bauern weniger geben würde?

Die Schweizer Landwirtschaft kann und muss produktiver werden. Wie alle anderen Sektoren auch. Ein Teil der meist gut ausgebildeten jungen Bäuerinnen und Bauern findet problemlos Arbeit auf dem Bau, in Büros, Altersheimen und Spitälern. Das würde die von der SVP befürchtete Zuwanderung etwas bremsen. Und wir hätten weniger unterbeschäftigte Bauern im Nationalrat. (vuc)

sda

Herr Bodenmann, gehen die Reformpläne von Bundesrat Schneider-Ammann in die richtige Richtung? 

Pro Haushalt bezahlen Ihre Leser – verglichen mit Österreich – 3'000 Franken zu viel für landwirtschaftliche Produkte. Die hohen Preise und Zölle bestrafen Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen. Im Tirol ist die Landschaft besser gepflegt als in der Schweiz, die Bauern sind beweglicher und glücklicher. Schneider-Ammann ist leider zu wenig mutig.

 

Das heisst, es gibt zu viele Bauern in der Schweiz?

Wir haben eine Million Hektar in der Schweiz. Diese müssen endlich ­effizient und umweltfreundlich bewirtschaftet werden. 4000 Franken Direktzahlungen im Durchschnitt sind genug. Das gibt für einen 50-Hektar-Betrieb 200'000 Franken pro Jahr. Nicht schlecht. 20'000 Betriebe reichen aus. Wie viele Bauern es am Schluss sein werden, soll der Markt entscheiden, nicht die Politik.

 

Was wären die Folgen, wenn es so viele Bauern weniger geben würde?

Die Schweizer Landwirtschaft kann und muss produktiver werden. Wie alle anderen Sektoren auch. Ein Teil der meist gut ausgebildeten jungen Bäuerinnen und Bauern findet problemlos Arbeit auf dem Bau, in Büros, Altersheimen und Spitälern. Das würde die von der SVP befürchtete Zuwanderung etwas bremsen. Und wir hätten weniger unterbeschäftigte Bauern im Nationalrat. (vuc)

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