Auch wenn es in den letzten zwei Wochen geregnet hat, herrscht in weiten Teilen der Schweiz noch immer Trockenheit. Und diese scheint sich zu einem alljährlich wiederkehrenden Phänomen zu entwickeln.
Müssen wir uns also schon jetzt auf den Trockensommer 2024 einstellen? Das vorherzusagen, ist schwer. Der Hydrologe Rolf Weingartner (69) sagt aber zu Blick: «Die Sommerniederschläge nehmen tendenziell ab in der Schweiz.» Und mittelfristig müsse man mit weniger Wasser aus Schnee- und Gletscherschmelze rechnen.
Allein im letzten Jahr verloren die Gletscher sechs Prozent ihres Volumens. «Das führt heute noch zu sehr grossen Wasserabflüssen in den Alpentälern», so Weingartner. Doch auch die Schneemenge werde immer geringer – und das sei entscheidend: «Die Schneeschmelze hat einen Anteil von rund 40 Prozent am Abfluss des Rheines in Basel. Sie ist also von herausragender Bedeutung für die Versorgung der grossen Alpenflüsse, der Seen und des Grundwassers.»
Es braucht ein Umdenken
Deshalb müsse man noch nicht per se alarmistisch sein. Denn gleichzeitig nehmen die Winterniederschläge zu. Damit bleibt die Menge an Regen, die in der Schweiz fällt, ungefähr gleich hoch, nur verteilt sie sich anders.
Das heisst auch: Wasserspeicher werden wichtiger, mit denen man den im Winter normalerweise reichlich vorhandenen Niederschlag speichern und im Sommer verfügbar machen kann. «Wasser wird nur zum Problem, wenn wir nichts tun», sagt Weingartner
Die Lösungen lägen auf dem Tisch: Es brauche eine Planung für Wasserentnahmen in Trockenzeiten. «Bisher lautete die Parole oft: Man nimmt das Wasser, das man hat. Jetzt ist aber ein Umdenken gefragt.» Und hier seien die Kantone gefragt.
Jeder Kanton braucht eine Strategie
Der Bund schreibt den Kantonen bereits vor, spezifischen Massnahmen beim Trinkwasser vorzubereiten. Eine Vielzahl der Kantone haben mit solchen Plänen für Dürrezeiten vorgesorgt. Ende 2022 lagen bei 17 Kantonen sogenannte regionale Wasserversorgungsplanungen vor oder waren in Erarbeitung. Im Kanton Solothurn verfügen die Wasserversorgungen über Konzepte, wieviel Trinkwasser den einzelnen Nutzern zur Verfügung zu stellen sind und wie dieses zu beschaffen ist.
Auch St. Gallen hat nach dem Hitzesommer 2003 Massnahmen ergriffen. So wurden Wasserentnahmen aus Fliessgewässern, an denen bei Trockenheit Konflikte entstanden, nicht verlängert, heisst es beim zuständigen Amt. «Stattdessen wurden alternative Wasserbezüge gesucht und in der Regel gefunden.» Ein Fachstab Trockenheit verfolgt die Entwicklung laufend.
In der Not greift der Bund ein
Angesichts der zunehmenden Trockenperioden hat der Bundesrat letztes Jahres entschieden, ein nationales Früherkennungs- und Warnsystem zur Trockenheit aufzubauen. Es soll Kantonen, Gemeinden und betroffenen Sektoren wie Landwirtschaft, Energiewirtschaft oder Schifffahrt ein frühzeitiges Reagieren ermöglichen.
Und auch wenn die Wasserversorgung Sache der Kantone und Gemeinden sind, hilft der Bund aus, wenn es zu grossen Problemen kommt. Etwa mit nationalen Aufrufen zum Wassersparen, der Anordnung Drosselung der Leistungen von Kernkraftwerken, weil deren Kühlung zu hohen Temperaturen im Fliessgewässer führt oder er bietet die Armee auf. Letztere kann etwa mit ihren Helikoptern für Waldbrandbekämpfung wie kürzlich in Bitsch VS oder etwa für den Wassertransport auf betroffene Alpen aushelfen.