Die wichtigsten Fragen zum Migrationspakt
Führt die Uno wirklich die globale Freizügigkeit ein?

Der Uno-Migrationspakt beschäftigt die Schweiz. Kein Wunder, er will die internationale Zusammenarbeit in Migrationsfragen auf eine neue Basis stellen. Doch was steht eigentlich drin?
Publiziert: 23.10.2018 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2018 um 20:22 Uhr
Der Bundesrat hat dem Uno-Migrationspakt zugestimmt, der Eckwerte für eine geordnete Migration festlegt. Er will den Pakt im Dezember unterzeichnen.
Foto: Keystone
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Sermîn Faki

Zuerst warnte die SVP, dann FDP-Nationalrätin Doris Fiala (61), und nun verlangt die Staatspolitische Kommission des Nationalrats, dass das Parlament darüber entscheidet: Der Uno-Migrationspakt, der im Dezember unterzeichnet werden soll, stösst auf Widerstand. Die Uno wolle damit die grenzenlose Migration einführen, so die Befürchtung. Und die Schweiz – Musterschülerin wie immer – werde an vorderster Front mitmachen.

Nur, worum geht es in diesem Abkommen überhaupt? Und zu was verpflichtet sich die Schweiz darin? BLICK klärt die offenen Fragen:

Was ist der Uno-Migrationspakt und was will er?
Der globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration – wie das Dokument offiziell heisst – definiert 23 Ziele. Mit diesen wollen die Unterzeichnerstaaten eine weniger gefährliche, vorschriftsmässige Zuwanderung erleichtern und gleichzeitig die negativen Auswirkungen illegaler Migration durch internationale Zusammenarbeit reduzieren.

Bei vielen Schweizer Politikern und Bürgern schrillen da die Alarmglocken. «Migration erleichtern» – bedeutet das sichere Überfahrten übers Mittelmeer? Und gar Bleiberecht und Sozialhilfe für alle?

Der Bundesrat verneint. Die Schweiz muss ihre Einwanderungspolitik nur in einem Punkt anpassen: Minderjährige dürfen laut dem Pakt nicht mehr in Ausschaffungshaft genommen werden. Aber auch in diesem Punkt gilt: Rechtlich verbindlich sei das nicht.

Was heisst das, rechtlich nicht verbindlich?
Der Migrationspakt ist kein internationaler Vertrag. Faktisch muss die Schweiz also gar nichts davon umsetzen. Anders als beispielsweise beim UN-Klimaabkommen von Paris. Dieses ist ein internationaler Vertrag und rechtlich bindend. Bei der Ratifizierung hat sich die Schweiz verpflichtet, die Ziele zu erreichen. Beim Migrationspakt gibt es diese Verpflichtung nicht.

Um welche Migranten geht es im Pakt?
Der Migrationspakt hat nichts zu tun mit klassischen Flüchtlingen. Die Flüchtlinge fallen weiterhin unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Sondern der Pakt gilt für alle anderen Migranten – jene, die zum Beispiel zum Arbeiten in ein anderes Land reisen. Offen ist, wie Sans-Papiers oder abgelehnte Asylsuchende betroffen sind. Laut dem federführenden Aussendepartement (EDA) entscheidet weiterhin «jeder Staat souverän, wer als regulärer Migrant berücksichtigt wird und die im nationalen Recht vorgesehenen Rechte erhält».

Stimmt es, dass in der Schweiz geborene Kinder automatisch die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten sollen?
Nein, stellt das EDA klar. «Es geht hier nicht um die Erteilung der Schweizer Staatsbürgerschaft, sondern um die Übertragung der Staatsbürgerschaft der Eltern», teilt es mit. Ziel dieser Regelung ist es, Staatenlosigkeit zu verhindern. In der Praxis geht es beispielsweise um die Sicherstellung des Übertrags der Nationalität von der Mutter oder vom Vater auf ein im Ausland geborenes Kind. In der Schweiz wird das bereits heute so gehandhabt.

Migranten sollen – unabhängig von ihrem Status – ein Recht auf bestimmte Grundleistungen erhalten. Heisst das, dass Sans-Papiers legalisiert werden müssen?
Nein, der Pakt hat laut EDA keine Konsequenzen auf den Umgang mit Sans-Papiers. In der Schweiz gibt es schon heute Bereiche, in denen Sans-Papiers Anspruch auf eine Grundversorgung haben. «Ein Beispiel ist die Gesundheitsversorgung. Schweizer Krankenversicherer sind verpflichtet, Sans-Papiers aufzunehmen.» Die Kassen dürfen auch keine Informationen über sie weitergeben.

Eine Formulierung weckt besondere Ängste: Der Uno-Pakt will «Vereinbarungen zur Arbeitskräftemobilität» fördern. Zum Beispiel durch «Freizügigkeitsregelungen». Gegner wie die SVP vermuten, dass damit einer globalen Personenfreizügigkeit der Weg geebnet wird. Stimmt das?
Wie das EDA ausführt, schliesst der Pakt «die Idee einer weltweiten Personenfreizügigkeit» aus. Denn der Migrationspakt würdigt die verschiedenen Regime zur Personenzirkulation, die derzeit global existieren. Er anerkennt also, dass es unterschiedliche Freizügigkeitsregeln gibt. Schliesslich müssen diese Regeln auch «von jedem Staat individuell und gemäss souveräner Praxis verabschiedet» werden.

Der Uno-Pakt will auch Familienzusammenführungen erleichtern. Gibt es Pläne, das auch in der Schweiz zu machen?Nein, auch hier winkt das EDA ab. Die gesetzlichen Grundlagen und die Praxis der Schweiz entsprächen beim Familiennachzug bereits heute dem Grundgedanken des Migrationspakts. «Der Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf, diese anzupassen», so das Aussendepartement.

Wie geht es jetzt weiter?
Der Bundesrat hat beschlossen, den Migrationspakt zu unterzeichnen. Doch um das zu tun, muss er vorgängig das Parlament dafür gewinnen. Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP) hat nun im Namen des Gedamtbundesrats die Staatspolitische Kommission des Nationalrats davon zu überzeugen, dass der Pakt wirklich keine Auswirkungen auf die bestehenden Regeln der Schweiz hat.

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