Rösti hatte in einem am Samstag in der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) veröffentlichten Interview gesagt, die Schweiz brauche kein Stromabkommen «um jeden Preis». «Das ist eine politische Aussage», sagte Yves Zumwald in einem am Freitag veröffentlichten Interview in der NZZ. Derzeit finde ein politisches Powerplay zwischen Bern und Brüssel statt.
«An unserer Überzeugung, dass sich die Beziehung im Strombereich zwischen der Schweiz und der EU normalisieren muss, ändert sich dadurch nichts», so der Chef des nationalen Netzbetreibers. «Wir stellen heute eine Entkoppelung der Schweiz vom europäischen Strommarkt fest – und das gefährdet nicht nur die Netzstabilität, sondern macht auch eine Integration der Schweizer Kraftwerke in Europa schwierig.» Ohne Teilnahme am europäischen Stromnetz steige der Stress im heimischen Übertragungsnetz und mache einen sicheren Netzbetrieb schwieriger.
Die Nachbarländer der Schweiz heben laut Zumwald die Kapazitätszuteilung jedes Jahr um zehn Prozent an. Das führt zu einer Zunahme des Handels innerhalb der EU - physikalisch fliesst dabei auch ein Teil des Stroms über die Schweiz. «Wegen dieser ungeplanten Flüsse stehen der Schweiz damit nach 2025 sogar weniger als 30 Prozent der Übertragungskapazität zur Verfügung», so Zumwald. Dann tritt in der EU die 70-Prozent-Regel in Kraft. «Wir erwarten eine massive Zunahme der ungeplanten Stromflüsse durch die Schweiz. Zugleich erodiert unsere Importfähigkeit.»
«Müssen mit Europa zusammenarbeiten»
Nach Ansicht der europäischen Netzbetreiber sässen alle im gleichen Boot, sagte Zumwald. «Unter den Netzbetreibern in Europa steht ausser Zweifel, dass wir mit Europa auf technischer Ebene zusammenarbeiten müssen. Wir sind physisch über 41 Grenzleitungen mit Europa verbunden – und wir betreiben gemeinsam mit unseren europäischen Partnern das Netz. Da ist es eine sehr schlechte Idee, Swissgrid von Plattformen und Gremien auszuschliessen, die helfen, das Stromnetz stabil zu halten.»
Zwar bestehe die Möglichkeit, mit ausländischen Netzbetreibern Verträge abzuschliessen. Das sei etwa mit Italien gelungen. «Aber im Norden mit Frankreich, Deutschland und anderen EU-Staaten verhandeln wir seit drei Jahren, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre», sagte Zumwald. «Hinzu kommt: Solche technischen Verträge stellen bloss sicher, dass wir mit den Netzbetreibern dieser Länder zusammenarbeiten können. Das ist aber eine absolute Minimallösung. Deswegen sind wir noch lange nicht im europäischen Markt integriert.»
Eine Schweiz mit autarker Stromversorgung sei zudem eine Illusion, sagte Zumwald. «Je höher die angestrebte Unabhängigkeit von Europa, desto teurer wird es.»